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Verdacht gegen Hotel in Istanbul: Starb die deutsche Familie durch Bettwanzen-Gift?
Der Tod einer Frau und ihrer Kinder lässt Zweifel an der Sicherheit türkischer Unterkünfte aufkommen. Angehörige fordern Präsident Erdogan auf, einzugreifen.
Stand:
Das kleine Hotel im Istanbuler Stadtteil Fatih liegt in Fußnähe aller Sehenswürdigkeiten der Altstadt und wird von vielen Gästen als preiswerte und sehr saubere Bleibe gelobt.
Doch nun sind innerhalb weniger Tage drei deutsche Hotelgäste – eine türkischstämmige Hamburgerin und ihre zwei Kinder – gestorben; vier weitere Gäste liegen mit Vergiftungssymptomen im Krankenhaus.
Die Ermittlungen der Polizei konzentrieren sich inzwischen auf Desinfektionsmittel, mit denen das Hotel vor kurzem gereinigt wurde. Verwandte der Todesopfer rufen Präsident Recep Tayyip Erdogan auf, er solle sich persönlich einschalten, um die Schuldigen zu finden.
Die vierköpfige Familie B. aus Hamburg war am vorigen Sonntag in Istanbul eingetroffen und hatte ihr Zimmer in dem Hotel bezogen. Zwei Tage später machte die Familie einen Ausflug ins beliebte Touristenviertel Ortaköy am Bosporus. Am selben Tag sei das Hotelzimmer der Familie desinfiziert worden, berichtete die Zeitung „Sabah“ am Sonntag.
Menschenleben dürfen nicht so billig sein.
Recep Yilmaz, ein Onkel der vergifteten Familie aus Hamburg.
In Ortaköy aßen die Eltern Cigdem (27) und Servet (36) mit ihren drei und sechs Jahre alten Kindern Masal und Kadir Muhammet gefüllte Muscheln, Kokorec – ein Gericht aus Schafs-Innereien – und Süßigkeiten.
Am Tag darauf gingen sie wegen Übelkeit und Erbrechen ins Krankenhaus. Sie kehrten zunächst ins Hotel zurück, doch ihr Zustand verschlechterte sich so sehr, dass sie in der Nacht zum Donnerstag mit dem Krankenwagen wieder in die Klinik gebracht wurden. Dort starben die Kinder und die Mutter; der Vater überlebte, liegt aber auf der Intensivstation.
Die Behörden vermuteten zunächst eine Lebensmittelvergiftung. Doch dann erkrankten drei weitere Touristen, die im selben Hotel wohnten. Die drei – darunter ein Italiener und ein Marokkaner – kamen ebenfalls ins Krankenhaus.

© dpa/Ahmed Deeb
Die Obduktion der Todesopfer konnte nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu die Todesursache nicht klären; nun sollen toxikologische Untersuchungen folgen.
Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass auch andere Besucher von Ortaköy durch Imbisse vergiftet wurden: Die Istanbuler Gesundheitsbehörde erklärte, es gebe keinen Anstieg der Lebensmittelvergiftungen in der Stadt.
Das Hotel wurde geschlossen und versiegelt
Deshalb richtet sich die Aufmerksamkeit der Ermittler nun auf das Hotel. Die Polizei, die zunächst den Muschelverkäufer, den Besitzer des Kokorec-Lokals, den Süßigkeiten-Händler und einen Café-Besitzer festgenommen hatte, setzte auch den Hotelbesitzer, den Chef der Reinigungsfirma und einen Mitarbeiter sowie einen Bäcker aus der Nähe des Hotels fest. Das Haus wurde geschlossen und versiegelt, die verbliebenen Gäste zogen in andere Hotels um.
Orhan Oglak von der Hotelleitung trat vor die Kameras und sagte, es gebe kein Hygiene- und Lebensmittelprobleme in seinem Haus, das weder Mittag- oder Abendessen noch Frühstück anbiete.
Trinkwasser für die Gäste gebe es nur in einzeln verpackten Behältern. Das Hotel werde regelmäßig desinfiziert. Er sei sicher, dass die Todesfälle nichts mit dem Haus zu tun hätten.
Experten sehen das anders. In vielen Hotels in diesem Teil der Istanbuler Altstadt gebe es Bettwanzen, sagte die Biologin Emel Öykü Kanbuk Kayikci vom Reinigungsunternehmen Planet Cevre Sagligi der Zeitung „Hürriyet“.
Die Hotelbesitzer würden zur Bekämpfung billige Firmen ohne die notwendigen Zulassungen anheuern, um ihre Preise niedrig zu halten. Bei der Desinfektion würden dann schwarz eingekaufte Pestizide aus der Landwirtschaft eingesetzt. Manche davon könnten tödlich sein.
Laut „Hürriyet“ untersuchten Beamte der Spurensicherung die Decken sowie Bett- und Kissenbezüge im Hotel und nahmen Proben. Experten des Katastrophenschutzamtes Afad suchten nach Spuren möglicher Gaslecks.
„Menschenleben dürfen nicht so billig sein“, sagte Recep Yilmaz, ein Onkel des Familienvaters Servet B., nach der Beisetzung der Mutter Cigdem und ihrer zwei Kinder im westtürkischen Afyonkarahisar.
Der Vater von Cigdem B., Mustafa Celik, rief Erdogan auf, sich persönlich um die Aufklärung zu kümmern. Er appelliere an alle Verantwortlichen, wie Anadolu berichtete: „Wir wollen, dass sie uns helfen.“
Die Opposition wirft Erdogans Regierung vor, selbst bei tödlichen Unfällen im Tourismussektor die Schuldigen zu schützen. Nach dem Tod von fast 80 Menschen bei der Brandkatastrophe in einem Skihotel in Kartalkaya im Januar seien zwar der Hotelbesitzer, Feuerwehrleute und Vertreter der Kommunalbehörden zur Rechenschaft gezogen worden, sagte der Oppositionsabgeordnete Veli Agbaba jetzt in den Beratungen über das Budget des Ministeriums. „Aber im Tourismusministerium gab es keine einzige Strafe und keinen Rücktritt.“
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