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Veruntreuung in Millionenhöhe vorgeworfen: Asyl für Ex-Minister – Polen ruft Botschafter in Ungarn zurück
Ein früherer polnischer Vize-Minister flieht vor Strafverfolgung nach Ungarn und erhält dort Asyl. Die Regierung in Warschau reagiert prompt.
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Nachdem Ungarn einem von Polen per europäischem Haftbefehl gesuchten Mitglied der früheren PiS-Regierung Asyl gewährt hat, nehmen die Spannungen zwischen beiden Ländern zu. Der polnische Botschafter in Budapest wurde auf unbestimmte Zeit nach Warschau zurückbeordert, wie ein Sprecher des Außenministeriums sagte. Außerdem habe man Ungarns Botschafter einbestellt und ihm eine Protestnote übergeben.
Am Donnerstag hatte Ungarn dem einstigen polnischen Vize-Justizminister Marcin Romanowski Asyl gewährt. Zuvor hatte ein Gericht in Warschau dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattgegeben, nach dem 48-Jährigen mit einem europäischen Haftbefehl zu fahnden.
Verdacht auf Veruntreuung von Millionen
Die polnische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Romanowski wegen elf Straftatbeständen, darunter auch wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Als stellvertretender Justizminister soll er Millionenbeträge aus einem Fonds für Verbrechensopfer in Projekte geschleust haben, von denen sich der damalige Justizminister Zbigniew Ziobro einen Nutzen für die Partei versprach. Romanowski bestreitet alle Vorwürfe.
Die nationalkonservative PiS, deren Name „Prawo i Sprawiedliwosc“ übersetzt Recht und Gerechtigkeit bedeutet, regierte Polen von 2015 bis 2023. In dieser Zeit baute sie das Justizsystem maßgeblich um, was sie auf Konfrontationskurs mit der EU-Kommission brachte. Im Oktober 2023 verlor die PiS die Parlamentswahl und ist seitdem die größte Oppositionspartei. Die Mitte-Links-Koalition von Regierungschef Donald Tusk bemüht sich seitdem, die umstrittenen Justizreformen der PiS-Regierung wieder rückgängig zu machen.
Scharfe Worte von Tusk gegen Orban
Polens Regierungschef Tusk kritisierte Ungarn scharf. Er habe nicht geahnt, dass korrupte Beamte auf der Flucht vor Strafverfolgung mittlerweile zwischen Schutz beim belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko oder bei Ungarns Regierungschef Viktor Orban wählen könnten, sagte Tusk in Brüssel. „Diejenigen, die gestohlen haben, diejenigen, die korrupt sind, suchen Zuflucht in Ländern, die von Politikern regiert werden, die ihnen ähnlich sind.“
Romanowski meldete sich im polnischen Sender TV Republika zu Wort. Dass Ungarn ihm Asyl gewährt habe, bestätigt seiner Ansicht nach, dass „wir es in Polen mit politischer Verfolgung zu tun haben.“ Staatsanwälte und Richter in seinem Heimatland seien politisch gesteuert.
EU-Kommission: Haftbefehle müssen durchgesetzt werden
Ein Sprecher der EU-Kommission wollte den konkreten Fall nicht kommentieren. Er betonte aber, dass die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet seien, europäische Haftbefehle durchzusetzen. In diesem Fall würde dies bedeuten, dass ein Richter in Ungarn den europäischen Haftbefehl prüfen müsste, um festzustellen, ob Gründe für eine Ablehnung vorliegen. Die endgültige Entscheidung über die Vollstreckung des europäischen Haftbefehls müsste dann innerhalb von 60 Tagen getroffen werden.
Was den Aspekt des Asyls betreffe, so sei das Niveau des Schutzes der Grundrechte und Freiheiten in allen EU-Mitgliedstaaten so hoch, dass sie alle als sichere Länder in Asylfragen angesehen würden. Ein Mitgliedstaat könne daher einen Asylantrag eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates nur unter sehr außergewöhnlichen Umständen für zulässig erklären. (dpa)
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