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Darja Trepowa in ihrer Zelle nach ihrer Festnahme.

© IMAGO/ITAR-TASS

Video zeigt Moment der Explosion: Tödliches Attentat in Sankt Petersburg – wer ist Darja Trepowa?

Eine als Geschenk getarnte Bombe tötet den nationalistischen Militärblogger Wladlen Tatarski. Die mutmaßliche Attentäterin wird festgenommen. Sie bestreitet, von dem Sprengsatz gewusst zu haben.

Stand:

Handelt es sich um dieselbe Frau? Um Darja Trepowa? Die Frontalaufnahmen der mutmaßlichen Attentäterin nach ihrer Verhaftung durch die russischen Behörden zeigen eine geschaffte, müde dreinblickende junge Frau mit kurzgeschnittenen blonden Haaren.

Auf Videoaufnahmen vom Tag zuvor ist hingegen eine langhaarige, tadellos geschminkte Frau mit spitzem Gesicht und schwarzem Mantel zu sehen, wie sie dem russischen Militärblogger Wladlen Tatarski in der Street Food Bar No. 1 in St. Petersburg eine goldene Büste seines Konterfeis überreicht.

Darin, das ist mittlerweile bekannt, ein Sprengsatz der den russischen Ultra-Nationalisten tötete und mindestens 32 weitere Besucher der Veranstaltung der nationalistischen Gruppe „Cyber Z Front“ verletzte.

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Videoaufnahmen vom Attentat werfen Fragen auf

Das Video ist aus gleich mehreren Gründen bemerkenswert. Tatarski scheint Trepowa zu kennen, er spricht sie mit dem Namen „Nastja“ an – der Kurzform für Anastassija.

Kurz nach der Übergabe möchte sie sich wieder an ihren Tisch ein paar Meter abseits der Bühne setzen oder sogar den Raum verlassen, doch Tatarski fordert die Frau auf, sich zu ihm auf die Bühne zu gesellen, um das Geschenk gemeinsam zu betrachten.

Trepowa nimmt rechts neben ihm Platz. Kurz bevor die Videoaufnahme wegen der Detonation abbricht, ist zu erkennen, wie sie die Hände vors Gesicht nimmt. Ob sie wirklich wusste, was gleich passieren würde? Darüber lässt sich bloß mutmaßen, doch der gesamte Hergang wirft Fragen auf.

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Warum scheinen sich Opfer und Täter zu kennen? Setzt sich eine Attentäterin freiwillig neben eine scharfe Bombe, nachdem sie sich kurz zuvor eigentlich entfernen wollte? Und warum hat die Frau auf dem Video lange, auf den veröffentlichten Festnahmefotos aber kurze Haare?

Wie positioniert sich Russland zu dem Attentat?

Russlands Antiterrorkomittee hatte am Montag jedenfalls binnen kurzer Zeit eine für den Kreml dienliche Erklärung parat. Demnach seien die Ukraine und Anhänger des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny für den gewaltsamen Tod Tatarskis verantwortlich. Ausgeführt wurde der Anschlag demnach von Trepowa.

Das von den russischen Behörden veröffentlichte Bild der mutmaßlichen Attentäterin Darja Trepowa.

© IMAGO/ITAR-TASS

„Der Terrorangriff wurde von ukrainischen Geheimdiensten mithilfe von Agenten geplant, die mit der sogenannten Anti-Korruptions-Stiftung zusammenarbeiten“, hieß es. In einem von der Polizei veröffentlichten Video sagte Trepowa aus, sie habe die Büste mitgebracht. Woher sie sie hatte, ließ sie unbeantwortet.

Trepowa im Verhör: „Ich wurde reingelegt“

Das Sankt Petersburger Medium „Fontanka“ will jedoch weitere Details aus dem ersten Verhör mit Trepowa vorliegen haben. Demnach sei sie von einem ukrainischen Aktivisten angeworben worden, der ihr eine Stelle bei einem Kiewer Nachrichtenportal angeboten haben soll.

Zunächst sollte sie aber „ein Praktikum absolvieren, um zu beweisen, dass sie weiß, wie man die russische Propaganda hier und jetzt bekämpft“. In einem nächsten Schritt habe sie sich gemäß dem Auftrag mit Tatarski bekannt gemacht.

Danach sei Trepowa nach Moskau gereist, wo ihr laut „Fontanka“ von einem Taxifahrer eine „geheime Sache“ übergeben wurde, die Büste mit dem Sprengsatz. Womöglich sprach Tatarski sie, wie auf dem Video zu sehen, deswegen mit Namen an.

Im Verhör habe sie erklärt, sie habe nichts von der Bombe gewusst und nur vermutet, dass es sich um „etwas Schlimmes“ handele. „Ich bin reingelegt worden“, soll sie außerdem gesagt haben.

Nach dem Attentat bleiben viele Fragen offen

Laut der russischen Zeitung „Komersant“ habe Trepowa im Oktober 2022 auf Twitter zudem geschrieben, dass sie „20 bis 150 Mal am Tag an Selbstmord“ denke. Ganz „ohne einen Hauch von Selbstmitleid“. Das Twitterkonto von ihr soll mittlerweile gelöscht worden sein.

Und die Haare? Wie russische Medien berichten, schnitt sie Trepowa direkt nach dem Attentat ab. Eine von vielen ungesicherten Informationen.

Mit Sicherheit sagen lässt sich so gut wie nichts in diesem Fall. Durch das Netz wabern diverse Gerüchte. So sollen nach Angaben von „Fontanka“ und dem Telegram-Kanal „Shot“ auch Trepowas Mutter und Schwester im Zuge der Fahndung zu Verhören abgeführt worden sein.

Wie die unabhängige Journalistengruppe „Astra“ berichtet, sagte Trepowas Mutter, sie habe ihre Tochter am Sonntagnachmittag kurz vor der Explosion gesehen, aber nichts Merkwürdiges an ihrem Verhalten bemerkt.

War der Anschlag eine Warnung an Wagner-Chef Prigoschin?

Als ob die gesamte Gemengelage nicht schon unübersichtlich genug wäre, ranken sich zudem Gerüchte um die Verbindungen des verstorbenen Tatarski zur Söldner-Gruppe Wagner und deren Chef Jewgeni Prigoschin.

Sicher ist: Prigoschin war einst Besitzer des nun zerstörten Cafés Street Food Bar No. 1. Auf Telegram schrieb er, er habe das Lokal der „Cyber Z Front“ überlassen. In den vergangenen Monaten fanden in dem Café Diskussionsrunden unter dem gleichnamigen Titel statt. Das Z steht als Symbol für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

Hat der Anschlag auf Tatarski einen innerrussischen Hintergrund?

Zudem glaubt Prigoschin nach eigener Aussage, dass die Verantwortung für den Anschlag nicht bei Kiew liege, sondern bei „einer Gruppe von Radikalen, die schwerlich etwas mit der (ukrainischen) Regierung zu tun hat“.

Tatsächlich hat sich inzwischen auch eine russische Partisanengruppe zu dem Anschlag bekannt.

Auch das US-amerikanische „Institute for the Study of War“ (ISW) mutmaßte am Montag, der Anschlag könnte einen innerrussischen Hintergrund haben und Teil einer Kampagne sein, um den schwelenden Konflikt zwischen der Wagner-Gruppe und dem Kreml zu verschärfen.

Dafür spricht dem ISW zufolge, dass Tatarski am Tag des Attentats bereits auf einem ähnlichen Termin war – er aber im Café Prigoschins ermordet wurde. Somit könnte der Mord auch eine Warnung an den Söldnerführer gewesen sein.

Wie reagierte Prigoschin auf das Attentat?

Auch die Äußerungen Prigoschins am Dienstag am Tatort selbst deuten womöglich auf einen innerrussischen Konflikt hin.

In einem von seinem Sprecherteam veröffentlichten Video sagte Prigoschin am Tatort, er sei von der umkämpften Stadt Bachmut an der Front in der Ostukraine nach St. Petersburg gekommen, um das Andenken Tatarskis zu „ehren“.  

Zudem erklärte er, dass Wagner seit 2014 Versuche von ungenannten Akteuren vereitelt habe, die Gruppe zu eliminieren. Den Opfern des Attentats bot er eine finanzielle Entschädigung an. Prigoschins öffentliche Reaktion und die vagen Anschuldigungen einer Kampagne gegen seine Gruppe deutet das ISW als Versuch, den Vorfall indirekt als einen Angriff auf ihn darzustellen.

Zu dieser These passt auch ein Bericht der „Welt“, wonach Tatarski in der Vergangenheit mindestens einen Auftrag durch den Söldner-Chef erhalten haben soll. Demnach soll der Militärblogger im März 2021 im Auftrag Prigoschins Propagandainhalte verbreitet haben und dafür umgerechnet 1000 Euro erhalten haben. (Tsp)

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