
© REUTERS/Dado Ruvic
Wettbewerb der Währungen: Warum der Euro den Dollar nicht ablösen wird
Die geopolitischen Spannungen stellen den Dollar als Leitwährung infrage. Doch weder Euro noch Yuan können die Rolle übernehmen – deshalb wird es einen dritten Weg geben.
Stand:
Steigende geopolitische Risiken und Konflikte sowie das wachsende Streben nach wirtschaftlicher Sicherheit erschüttern eine der langjährigen Säulen des internationalen Finanzsystems: die Hegemonie des US-Dollars.
Diese Entwicklungen führen dazu, dass politische Entscheidungsträger und Unternehmen finanzielle Diversifizierung höher bewerten als rein ökonomische Kosten.
Das ist einer der Gründe, warum voraussichtlich keine einzelne Währung die Nachfolge des Dollars antreten wird. Stattdessen dürfte sich das globale Finanzsystem auf einen dritten Weg zubewegen – mit mehreren Alternativen, aber ohne klare Dominanz einer einzigen Währung.
Das wäre ein tiefgreifender Wandel. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs – und insbesondere seit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems 1971 mit seinen Wechselkursbandbreiten und der Abkehr der USA vom Goldstandard – ist der Dollar die bevorzugte Währung für Handel, Kapitalflüsse und Devisenreserven.
Ein zweiter Platz für den Euro
Ein aktuelles Papier der Europäischen Zentralbank bestätigt: Der Dollar ist nach wie vor die globale Leitwährung; der Euro folgt mit großem Abstand auf dem zweiten Rang.
Sowohl die USA als auch die Weltwirtschaft haben von dieser Ordnung profitiert. Die Zentralbank der Vereinigten Staaten (Federal Reserve) genoss das „exorbitante Privileg“, sich billig und ohne finanzielle Beschränkungen verschulden zu können.
Im Gegenzug sorgte sie für eine ausreichende globale Dollarliquidität, gestützt durch genügend sichere Vermögenswerte im Inland, nämlich US-Staatsanleihen. In Krisenzeiten stellte die Fed außerdem zusätzlich Liquidität bereit, um Handels- und Finanzstabilität zu sichern.
Doch die zunehmende geopolitische Fragmentierung stellt diese Vormachtstellung schrittweise infrage.
Der Dollar bleibt zwar das bevorzugte Wertaufbewahrungsmittel weltweit – Gold hat den Euro inzwischen als zweitgrößtes Reserve-Asset überholt –, also Vermögenswerte, die von Zentralbanken oder anderen Währungsbehörden gehalten werden. Doch seine Rolle als bevorzugtes Zahlungsmittel gerät in Bedrängnis.
Währungen als politisches Druckmittel
Ausschlaggebend war unter anderem die Reaktion der USA auf den russischen Einmarsch in die Ukraine 2022: Die Vereinigten Staaten und ihre westlichen Verbündeten schlossen Russland vom internationalen Finanzsystem aus – und setzten damit ihre Währungen als geopolitisches Druckmittel ein.
Dies löste weltweit ein wachsendes Interesse an alternativen Möglichkeiten der Handelsfinanzierung aus – als Absicherung gegen die Möglichkeit ähnlicher Sanktionen in der Zukunft.
Eine solche Alternative sind digitale Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currencies). Anfang 2022 verfügten nur 15 Länder über Pilotprojekte dazu – mittlerweile sind es nahezu dreimal so viele.

© dpa/Fernando Gutierrez-Juarez
Solche Instrumente könnten es zwei Zentralbanken ermöglichen, Transaktionen direkt miteinander abzuwickeln, ohne – wie bisher üblich – auf die US- oder EU-Zentralbank angewiesen zu sein. Damit eröffnen sich potenzielle neue Wege für grenzüberschreitende Großbetragszahlungen.
Auch nicht staatliche Alternativen gewinnen an Kontur, darunter Kryptowährungen der ersten Generation wie Bitcoin sowie weitere Finanzinnovationen.
Staatliche Alternativen kommen nicht in Betracht
Sie bieten insbesondere Akteuren, die sich gegen mögliche Sanktionen absichern wollen, eine Option – da sie außerhalb staatlicher Geldsysteme operieren.
Von den staatlichen Alternativen ist derzeit gleichwohl keine geeignet, den Dollar als Leitwährung abzulösen. Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte – sofern sie wie erwartet die Internationalisierung des Euro weiter vorantreibt – grundsätzlich ausreichende Euro-Liquidität für globale Zahlungen bereitstellen.
Doch mit Staatsschulden im Umfang von lediglich etwas über sechs Billionen Euro, die mit der höchsten Bonität (AAA oder AA+) bewertet sind, fehlen die notwendigen sicheren Anlageinstrumente. Zum Vergleich: Die USA haben 36 Billionen Euro Staatsschulden mit der höchsten Bonität.

© REUTERS/JANA RODENBUSCH
Zudem müsste die EZB in Krisenzeiten bereit sein, eigenständig umfangreiche Währungsswaps, also genug Euro für andere Länder bereitzustellen, um weiterhin Handel zu treiben und Gelder ins Ausland zu senden. Bislang hat sie sich dafür auf die Federal Reserve verlassen.
Der chinesische Yuan ist nicht frei handelbar
Der chinesische Yuan – der einzige andere ausreichend große Kandidat, um die Rolle des Dollar zu übernehmen – ist ebenfalls mit strukturellen Hürden konfrontiert. Zwar zeigt sich China zunehmend bereit, mit Währungsswaps globale Liquidität bereitzustellen, um die US-Dominanz zu untergraben.
Doch der Yuan ist nicht frei handelbar und damit nur eingeschränkt konvertierbar. Und: Der Markt für chinesische Staatsanleihen, die ausländischen Investoren offenstehen, bleibt mit rund sieben Prozent des Gesamtvolumens begrenzt.
All das spricht für ein künftig multipolares Finanzsystem. Dieser dritte Weg im Zahlungsverkehr wird mit Effizienzeinbußen für Unternehmen einhergehen – und die Fragmentierung des globalen Finanzsystems verstärken.
Doch da keine Einzelwährung die Rolle des Dollars übernehmen kann und sich nicht staatliche Alternativen bislang nicht überzeugend durchsetzen, ist ein komplexes Nebeneinander verschiedener Währungen derzeit der einzige Weg, die Abhängigkeit vom Dollar zu reduzieren.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: