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Witwe eines deutschen Bataclan-Opfers: „Es ist ein Tag, an dem ich weinen kann“
Mit Glockengeläut der Pariser Kathedrale Notre-Dame und einem hat in Paris am Donnerstagabend die zentrale Gedenkfeier für die Opfer der islamistischen Anschläge von 2015 begonnen.
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Mit Glockengeläut der Pariser Kathedrale Notre-Dame und einem Requiem hat in Paris am Donnerstagabend die zentrale Gedenkfeier für die Opfer der islamistischen Anschläge von 2015 begonnen. Präsident Emmanuel Macron, sein Vorgänger François Hollande und die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo standen in einem neu eingerichteten Gedenkgarten an der Seite von Hinterbliebenen und Opfern der Anschläge vom 13. November 2015.
Die Zeremonie in dem Gedenkgarten in der Nähe des Rathauses wurde auf einem Großbildschirm auf den Place de la République übertragen. An der dortigen Statue der Nationalfigur Marianne hatten Menschen seit Tagen Kerzen und Blumen im Gedenken der Opfer abgelegt. Seit Einbruch der Dunkelheit wurde zudem der Eiffelturm in den französischen Nationalfarben blau, weiß und rot angestrahlt.
130 Tote und mehr als 350 Verletzte
Drei islamistische Kommandos hatten bei den minutiös vorbereiteten Anschlägen innerhalb weniger Stunden 130 Menschen getötet und mehr als 350 weitere verletzt. Die Angreifer feuerten wahllos auf Gäste in Straßencafés und Restaurants und auf Konzertbesucher im Musikclub Bataclan. Mehrere Attentäter zündeten Sprengstoffgürtel. Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bekannte sich später zu den Anschlägen.

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Für viele Hinterbliebene der Pariser Anschläge vom November 2015 sind die Gedenkfeiern zum zehnten Jahrestag ein wichtiges Ereignis. „Es ist ein Tag, an dem ich mich erinnere, an dem ich weinen kann, an dem ich mich gehen lassen kann“, sagt Sophie Bouchard-Stech, die ihren Mann Fabian bei dem Anschlag auf den Konzertsaal Bataclan verlor. „Morgen geht das Leben wieder weiter“, fügt sie im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP hinzu.
Der gebürtige Hannoveraner Fabian Stech war einer der beiden Deutschen, die bei den islamistischen Anschlägen am 13. November 2015 getötet wurden.
Zehn Jahre danach sei die Trauer noch immer nicht überwunden, sagt Sophie Bouchard-Stech, eine Anwältin aus Dijon, im AFP-Gespräch. „Ich denke noch immer sehr, sehr viel an Fabian. Es gibt Momente, in denen das alles hochkommt“, erzählt sie.
Sie ist wie jedes Jahr zu der Gedenkfeier nach Paris gereist, wo sie andere Angehörige von Opfern und Überlebende trifft. Viele von ihnen hatten sich bei dem Prozess kennengelernt, in dem das einzige noch lebende Mitglied der islamistischen Kommandos, Salah Abdeslam, 2022 zu lebenslanger Haft verurteilt worden war.
„Der Prozess war sehr wichtig für uns“, betont Bouchard-Stech. Sie habe dort viele Einzelheiten über die Anschlagsnacht erfahren. So habe sie die beiden Menschen kennengelernt, die die letzten Minuten ihres Mannes miterlebt hätten. „Célia und Benjamin waren an seiner Seite, sie haben ihn sterben sehen“, sagt seine Witwe. „Durch sie weiß ich, was geschah. Es nicht zu wissen - das ist noch viel schlimmer“, fügt sie hinzu.
Bei eAuslandssemester in Berlin kennengelernt
Bouchard-Stech hatte ihren Mann Fabian Mitte der 80er Jahre bei einem Auslandssemester in Berlin kennengelernt. Er folgte ihr nach Frankreich, arbeitete als Deutschlehrer und hörte gerne Musik, unter anderem Nina Hagen. Am 13. November war er auf dem Konzert der Eagles of Death Metal im Konzertsaal Bataclan im Zentrum von Paris, als die Attentäter den Saal stürmten und innerhalb einer halben Stunde 258 Mal auf die Menschen schossen.
Das Paar hat zwei Söhne, die damals 15 und 18 Jahre alt waren. „Es war sehr schwierig, unser Leben war komplett auf den Kopf gestellt. Wir brauchten sehr viel Zeit, um darüber hinwegzukommen“, sagt sie. Dank ihrer Familie, ihrer Freunde und der Opfervereinigung sei sie wieder auf die Füße gekommen.
„Vielleicht hatte ich mehr Hilfe als andere“, sagt sie. Es gebe Hinterbliebene, die bis heute nicht zu den Gedenkfeiern kommen könnten. „Manche fühlen sich schuldig, überlebt zu haben. Das ist schrecklich“, erzählt sie.
Die Anschläge vor zehn Jahren hätten auch Frankreich verändert, meint Bouchard-Stech. „Uns ist die Gefahr bewusst geworden“, hebt sie hervor. Seitdem seien viele Anschläge vereitelt worden. „Aber vollständige Sicherheit kann es nicht geben“, fügt sie hinzu. (AFP)
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