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Vinyl lebt, sagt Claudia Roth

© IMAGO/Müller-Stauffenberg

60 Jahre Preis der Deutschen Schallplattenkritik: Anspruchsvoll bleiben

Unabhängigkeit von der Musikindustrie ist den Expertinnen und Experten wichtig, die den „Preis der Deutschen Schallplattenkritik“ vergeben. Das wurde jetzt in Berlin gefeiert.

Eine Kolumne von Frederik Hanssen

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Der Name klingt wunderbar altmodisch: „Preis der deutschen Schallplattenkritik“. Als sich vor 60 Jahren ein Häuflein Musikexperten zusammentat, um dem Besten, was der Tonträgermarkt zu bieten hat, durch regelmäßige Ehrungen Aufmerksamkeit zu verschaffen, da gab es nun einmal nur LPs oder Singles.

Zunächst wurden die Fachleute in ihrer Aufklärungsarbeit von der Industrie unterstützt, 1988 erklärten sie sich dann für unabhängig, ja, sie definierten sich durchaus als Gegenstimme zu den immer lauter werdenden Trompetensignalen der Plattenfirmen und dem aggressiven Werbegetrommel der PR-Agenturen.

Gehalt statt Glamour

Nicht das Spektakulärste wollen die aktuell 156 Mitglieder des „Preises der deutschen Schallplattenkritik“ ins Scheinwerferlicht rücken, sondern das Beste. Also das Anspruchsvollste. Gehalt statt Glamour lautet die Maxime für alle 32 Kategorien, die das komplette Angebotsspektrum abdecken, von Alter Musik über Klassik, Pop, Folk und Heavy Metal bis hin zum Hörspiel.

Das Engagement der Kolleginnen und Kollegen finde ich nicht nur ehren-, sondern extrem bewundernswert. Denn sie nehmen sich viel Zeit für ihre ehrenamtliche Arbeit, hören sich durch die Veröffentlichungen kleiner und kleinster Labels, setzten sich mit Abseitigem auseinander. Und verteidigen ihre Favoriten dann in leidenschaftlichen Diskussionen, wenn es darum geht, wer letztlich die Auszeichnungen erhält.

Dieses rührend unzeitgemäße Bekenntnis zur Ernsthaftigkeit wurde am Dienstag in Berlin gefeiert, mit einem Festakt zum Sechzigsten im Maison de France am Kudamm – und der Kulturstaatsministerin als Ehrengast. Dass Claudia Roth nicht nur erschienen war, weil ihre Verwaltung den Verein finanziell unterstützt, machte sie gleich im Grußwort deutlich.  

Und zwar auf herzerwärmende Weise: „Sehr geschätzte, so nötig gebrauchte Verrückte!“, begrüßte sie die Anwesenden und rühmte im Folgenden die Jurymitglieder nicht nur für ihr musikpublizistisches Engagement, sondern umarmte sie gleich auch noch als Verteidiger demokratischer Grundwerte.

Den Namen des Verbands findet Claudia Roth übrigens auch wunderbar. Weil Schallplatten eine so wichtige Rolle in ihrer Biografie gespielt haben, beobachtet sie die Renaissance der analogen Tonträger inmitten der Streamingportal-Unübersichtlichkeit mit höchstem Wohlwollen: „Vinyl lebt!“

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