
© Olivier Pirard
70 Jahre Kunstmesse Brafa in Brüssel: Jung wie Jugendstil
Seit 70 Jahren versammelt die Brafa in Brüssel Exzellentes von der Antike bis heute. Doch auch hier dominiert inzwischen zeitgenössische Kunst und gefährdet die Balance der Epochen.
Stand:
Nirgendwo sieht Kaputtes schöner aus als bei Axel Vervoordt. Der Kunsthändler aus Antwerpen präsentiert einen einzelnen Arm aus Bronze – schlank, ästhetisch und ins Leere greifend, ein Überbleibsel antiker Kultur.
Das monumentale Objekt aus dem vierten vorchristlichen Jahrhundert findet sich in Vervoordts Messestand neben einem abstrakten Bild von Jef Verheyen. Und wie so oft zielt die Galerie mit dieser faszinierend schönen, völlig unaufdringlichen Kombination ins Herz jener Messe, die sich Brafa nennt und seit 70 Jahren einmal jährlich in Brüssel Kunst und Antiquitäten auf hohem Niveau versammelt.
Vervoordt zeigt, wie es geht. Wie die Brafa, die ursprünglich für hellenistische Skulpturen, Ikonen, alte Uhren, Tapisserien, mittelalterliche Gemälde oder Möbel vergangener Jahrhunderte stand, sich mit den neuen Tendenzen in ihren eigenen Reihen versöhnen kann.
Hier staunen die Besucher über das kolossale Ramses-Bett am Stand der Galerie Marc Maison, das 1889 auf der Pariser Weltausstellung zu sehen war und den Höhepunkt europäischer Ägyptomanie symbolisiert.
Nackte des amerikanischen Pop-Artisten Tom Wesselmann, Mobiles von Alexander Calder oder Nagelbilder von Günther Uecker, die hier immer mehr zu finden sind, verkaufen sich aber wesentlich unkomplizierter.

© Brafa Brüssel
Um finanzielle Ressourcen ging es auf der Brafa nie. Ihr Publikum ist interessiert, kennt sich aus und investiert auch hohe Summen. Anders lassen sich weder die lange Lebenszeit der Brafa noch ihre namhaften Aussteller erklären.
So reist Giammarco Cappuzo Fine Art aus London an, um ein Bild des Barockmalers Jusepe de Ribera für 800.000 Euro auszustellen. Hoffmans Antiques nimmt aus Stockholm gustavianische Sessel aus dem frühen 19. Jahrhundert mit, und erstmals ist die Londoner Galerie Colnaghi vertreten. Sie hat neben einem römischen Torso die in Öl gemalte Studie eines Totenkopfs von Wilhelm Leibl (um 1868) dabei.
Und doch irritiert einen die aktuelle Verteilung der Kunsthändler in den Hallen der Expo Brussels: Die traditionellen Händler wie Heutnik Ikonen, J. Baptista aus Lissabon mit seinem historischen Silber oder Lowet de Wotrenge (Antwerpen) mit einer klassischen Genredarstellung von Venus und Cupido von 1670 sind im letzten Gang der zweiten Messehalle untergebracht.

© Olivier Pirard
Am Eingang empfängt jetzt die Galerie von Vertes in ihrem großzügigen Stand mit Bildern von George Condo, einer Abstraktion Ernst Wilhelm Nays (300.000 Euro) und einem Objekt von Yayoi Kusama – mit Kunst der Gegenwart, die aber noch von den monströsen, im Hauptgang hängenden Stoffskulpturen der portugiesischen Künstlerin Joana Vasconcelos getoppt wird.
Ihre Objekte sind gerade angesagt, aber muss eine für ihr Spezialistentum geschätzte Messe wirklich dem Trend folgen und Vasconcelos zur Dekoration der Gänge einladen? Hätte man an denselben Stellen nicht ebenso – dem ewigen Pionier Axel Vervoordt folgend – Altes und Neues in einer vorbildhaften Inszenierung miteinander verknüpfen können?
Die Privatbank Delen, Sponsor der Brafa und treuer Einkäufer, macht es stattdessen vor. Wie immer hat sie einen riesigen Stand auf der Messe. Und wie immer zeigt sie in AD-würdigen Interieurs, was sich aus Möbeln und Bildern und angewandter Kunst aller Epochen mixen lässt.
180 Aussteller – immer für Überraschungen gut
Beschwingt von solchen Eindrücken schlendert man zum Stand der Pariser Galerie BG Arts, die ausschließlich Jugendstil-Vasen von René Lalique zeigt, bewundert die Fantasie des belgischen Malers James Ensor, dessen Bilder bei Samuel Vanhoegaerden hängen, und träumt davon, sie mit der Tribal Art am Stand von Didier Claes zusammenzubringen. Oder dem schimmernden Glas der Renaissance, das Sylvia Kovacek aus Wien selbst kontrastreich mit Zeichnungen von Egon Schiele kombiniert.
Hier liegt die Stärke der Brafa mit ihren 180 Ausstellern, die dazu immer wieder für Überraschungen gut sind. Jef Verheyen am Stand von Vervoordt war mit Günther Uecker wie auch Lucio Fontana befreundet, sein früher Herztod 1984 hat ihn dann allerdings aus dem Radar befördert. Auf der Brafa ist er nun präsent, genau wie Jean Rets mit seinen geometrischen Motiven, für die sich Galerist Maurice Verbaet aus Knokke einsetzt.
Als hätten sich die Händler dieses Jahr abgesprochen, begegnen einem überall die wunderbar eckigen Landschaften von Bernard Buffet, ein Aktgemälde von 1959 sprengt am Stand der Galerie Taménaga mit fast drei Metern Höhe alle Maße. Im Großformat ruhen die Kühe von Nils Kreuger beim Kunsthandel Dr. Nöth, deren expressive Farbigkeit so gerade noch von den schwarzen Konturen der Tiere eingehegt werden (90.000 Euro).
Desmet Fine Art strahlt das Marmorfragment einer antiken Venus an, in die man sich sofort verliebt, weil sie unendlich fein und dabei erstaunlich abstrakt gearbeitet ist. Die fliegenden Knochen von Vasconcelos überragt die winzige Skulptur ästhetisch in jedem Fall.
Chef von Desmet Fine Art mit einem Schwerpunkt auf klassischen Skulpturen von der Antike bis ins 19. Jahrhundert ist Tobias Desmet. Er zählt mit 41 Jahren auf der Brafa nicht bloß zur jüngsten Generation, sondern ist auch ihr neuer, selbstbewusster Generalsekretär. Seine Expertise und Vorlieben tendieren ebenso wie bei Klaas Muller, der dem neuen Brafa-Board angehört, in die fernere Vergangenheit. Bleibt zu hoffen, dass ihnen auch nach dem Jubiläum der Messe eine spannende Balance zwischen den Epochen gelingt.
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