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Das Titelmotiv des Reclam-Buchs „Peanuts für alle Lebenslagen“

© Reclam © PNTS

75 Jahre Snoopy und die Peanuts: Der Superstar aus der Hundehütte 

Anfang Oktober werden die „Peanuts“ 75 Jahre alt. Ihre populärste Figur hatte anfangs nur eine Nebenrolle. Rückblick auf eine beispiellose Erfolgsgeschichte.

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Dass dieser schwarz-weiß gefleckte Vierbeiner kein normaler Hund ist, war von Anfang an offensichtlich. Doch wie stark sich der kleine Kerl von seinen Artgenossen unterscheiden und was für eine beispiellose Erfolgsgeschichte ihm bevorstehen sollte, konnte damals bei seinen ersten Auftritten noch niemand ahnen.

Snoopy betritt die Welt der „Peanuts“ am 4. Oktober 1950 als freundlich dreinblickender, anfangs noch namenloser Beagle. Zwei Tage zuvor haben sieben US-Zeitungen die erste Folge des neuen Comicstrips veröffentlicht, geschrieben und gezeichnet vom damals 27-jährigen Charles M. Schulz (1922–2000).

Spielgefährte und Projektionsfläche

In der dritten Folge spaziert ein junger Hund die Straße entlang. Auf dem Kopf trägt das Tier eine kleine Blume, deren Stiel hinter seinem Ohr klemmt, sein Maul deutet ein Lächeln an. Er kommt an einem offenen Fenster mit einem Blumenkasten vorbei, der gerade von einem Mädchen gewässert wird.

Der erste „Peanuts“-Strip mit Snoopy erschien am 4. Oktober 1950 in den US-Zeitungen. Der damals zu sehende Hund hat mit dem späteren Snoopy äußerlich kaum Gemeinsamkeiten.

© © 1950 Peanuts Worldwide LLC, Dist. by Andrews McMeel © PNTS

Als er auf ihrer Höhe ist, hebt sie die Kanne und gießt auch die Blume auf seinem Kopf. Daraufhin sinkt die Blume des Hundes zu Boden. Er selbst sitzt im letzten Bild des Strips mit konsterniertem Gesichtsausdruck in einer Wasserlache.

Jener frühe Snoopy – sein Name wird einige Wochen später in den „Peanuts“ zum ersten Mal erwähnt – hat mit der Figur, die später eine globale Popkultur-Ikone werden wird, nur eine sehr entfernte Ähnlichkeit.

Wertvolle Marke: Rund 2,5 Milliarden Dollar werden nach Schätzungen des Wirtschaftsberatungsunternehmens Deloitte auch heute noch jährlich weltweit mit Lizenzen für „Peanuts“ und damit verbundene Produkte erwirtschaftet. 

© picture alliance/dpa/Peanuts Worldwide LLC

Seine Schnauze ist schmaler, er bewegt sich artgemäß auf vier Pfoten, und dass in seinem Kopf mehr vorgeht, als man es von einem Hund erwarten würde, lässt sich zu jener Zeit nur anhand seiner Körpersprache und der vielsagenden Mimik erahnen.

Snoopys Rolle beschränkt sich am Anfang darauf, Charlie Brown und den anderen kindlichen Hauptfiguren der Reihe ein Spielgefährte und eine Projektionsfläche zu sein. Sein Verhalten bietet die Vorlage für viele Pointen, die allerdings noch nicht den Tiefgang der späteren „Peanuts“-Folgen haben.

Oft geht es in den ersten Jahren um harmlose Kinderspiele, Streiche oder das Verhältnis von Mensch und Tier. Dass Snoopy zu Höherem berufen ist, wird sich erst in den folgenden Jahren zeigen.

Im Laufe seiner 75-jährigen Karriere wurde Snoopy auch mehrfach auf Briefmarken verewigt, hier ein Beispiel von 2001 aus den USA.

© IMAGO/dreamstime © PNTS

Ab 1953 beginnt der bis dahin bis auf ein gelegentliches „Waff!“ weitgehend sprachlose Hund, sein Dilemma in Worte zu fassen. Das besteht im Prinzip darin, von Größerem zu träumen, aber im Körper eines Hundes festzustecken.

Manchmal wünschte ich, ich wär’ ein Wolf … Es ist deprimierend, wie sehr ich von Menschen abhängig bin!

Snoopy in einem „Peanuts“-Strip von 1955

Als Charlie Brown den Hund in einer Episode auffordert, „Wau, wau!“ zu sagen, sind in einer wolkig gezeichneten Blase die Gedanken von Snoopy zu lesen: „Du meine Güte! Warum muss ich diese Spielchen immer mitmachen?!“

In einem anderen Strip, veröffentlicht im Januar 1955, sieht man einen grimmig dreinblickenden Snoopy, in dessen Gedankenblase zu lesen ist: „Manchmal wünschte ich, ich wär’ ein Wolf … Es ist deprimierend, wie sehr ich von Menschen abhängig bin!“

Seit 1968 gehört Snoopy in Ballon-Form zur populären Thanksgiving Day Parade des Kaufhauses Macy’s in New York, hier ein Foto von 2011.

© IMAGO/Depositphotos/robert1598

Dass der Hund sich nicht wie die anderen Figuren des Strips in Sprech-, sondern in Gedankenblasen ausdrückt, ist ein kluger Kunstgriff des Zeichners. So kann Snoopy alles mitteilen, was ihm durch den Kopf geht, während die Menschen um ihn herum oft gar nicht ahnen, was ihn umtreibt – woraus sich viele Pointen ergeben.

„Peanuts“-Schöpfer Charles M. Schulz (1922–2000) auf einem Archivbild mit Snoopy und Woodstock

© picture alliance/dpa/Schulz Family Intellectual Property Trust/Charles M. Schulz Museum

Die einzigen anderen „Peanuts“-Figuren, mit denen Snoopy sich richtig unterhalten kann, sind seine Beagle-Verwandten, die Charles M. Schulz in späteren Jahren nach und nach einführt, und natürlich sein bester Freund Woodstock, den Schulz ihm Ende der 1960er an die Seite zeichnet: ein kleiner Vogel, der mit dem Hund in einer nur aus senkrechten Strichen bestehenden Sprache kommuniziert, die außer Snoopy niemand versteht.

1957 zeichnet Schulz einen Strip, in dem Charlie Brown Snoopy das Laufen auf zwei Beinen beibringt, was die Figur deutlich menschlicher erscheinen lässt. Ende 1958 eröffnet Schulz für Snoopy dessen fortan wichtigste Bühne: Er macht das Spitzdach seiner Hundehütte zur zentralen Spielfläche für die zunehmend wichtigen Solo-Auftritte der Figur.

Der Befreiungsschlag kommt in den 1960er-Jahren

Von da an schränken den Hund die Restriktionen der irdischen Realität, denen die anderen Figuren des Strips im bestimmten Rahmen weiterhin unterliegen, zunehmend weniger ein.

Der größte dramaturgische Befreiungsschlag kommt aber Mitte der 1960er-Jahre, als Schulz die Idee hat, Snoopy nicht nur darüber lamentieren zu lassen, dass er mehr vom Leben erwartet. Der Zeichner verleiht seiner Figur neben dem bereits zuvor entwickelten großen komödiantischen Talent, seinem Hang zum Sarkasmus und einer überbordenden Fantasie nun auch die Gabe, sich in seinen Tagträumen in fast jede Figur verwandeln zu können, die er gerne wäre.

Snoopy wird auf diese Weise über die folgenden Jahrzehnte hinweg unter anderem ein Schriftsteller („Es war eine dunkle und stürmische Nacht“) und Weltkriegspilot, Rechtsanwalt und Eiskunstläufer, Astronaut und Offizier der französischen Fremdenlegion, Chirurg und Surfer, Pfadfinderführer und Joe Cool, der abgeklärte Student mit der Sonnenbrille.

Der erste „Peanuts“-Strip erschien am 4. Oktober 1950 in den US-Zeitungen, hier die deutsche Fassung. Snoopy hatte zwei Tage später seinen ersten Auftritt.

© © 1950 Peanuts Worldwide LLC, Dist. by Andrews McMeel © PNTS

Die nahezu komplette Aufhebung der Trennung zwischen Realität und Fantasie in Snoopys Welt eröffnet seinem Erfinder unbegrenzte erzählerische Möglichkeiten. Zudem macht es den Strip, der in seinen besten Zeiten in mehr als 2600 Zeitungen veröffentlicht wird, deutlich abwechslungsreicher als zuvor und bietet Anknüpfungspunkte für die unterschiedlichsten Lesergruppen.

Der Junge mit dem Mondgesicht.

Snoopy über Charlie Brown, dessen Namen er sich nicht merken kann

Im Laufe der 1960er-Jahre entwickeln die „Peanuts“ auch dank Snoopys gewachsener Komplexität ihr volles Potenzial – bis zum letzten Strip aus Schulz’ Zeichenfeder, der am 13. Februar 2000 veröffentlicht wird, einen Tag nach Schulz’ Tod im Alter von 77 Jahren.

Snoopy hat in diesem Universum eine zentrale Bedeutung. Über ihre jeweilige Beziehung zu Snoopy gewinnen auch die anderen Figuren des „Peanuts“-Ensembles an Kontur.

Die US-Weltraumbehörde Nasa machte Snoopy schon früh zu ihrem Maskottchen. Die Figur war unter anderem 2022 als Schwerelosigkeitsanzeiger auf der Artemis-I-Mission dabei. Dieses Foto wurde 2023 in der Nasa-Zentrale in Washington aufgenommen.

© IMAGO/piemags

Insbesondere Charlie Brown, der ewige Zweifler und Pechvogel. Seine Beziehung zu Snoopy ist durch eine komplexe, asymmetrische Dynamik geprägt. Der Junge sieht den Hund als seinen verlässlichsten Freund an und findet in Snoopys Gesellschaft immer wieder Trost in schwierigen Zeiten.

Aus Sicht des Hundes basiert die Beziehung jedoch vor allem darauf, dass Charlie Brown der Mensch ist, der ihm den Futternapf füllt. Er macht sich nicht einmal die Mühe, sich dessen Namen zu merken, und nennt Charlie Brown nur „der Junge mit dem Mondgesicht“.

Auch in zeichnerischer Hinsicht hat keine andere „Peanuts“-Figur eine so grundlegende Veränderung erlebt wie Snoopy. Seine Entwicklung ist eng mit der wachsenden handwerklichen Finesse von Charles M. Schulz verbunden.

Im Laufe der 1950er-Jahre wird der semirealistisch gezeichnete Hund zur zunehmend abstrahiert dargestellten Comicfigur, deren Kopfform einer Erdnuss ähnelt. Schulz’ Linienführung wird skizzenhafter und lebendiger. Darüber hinaus gewinnt Snoopy an Körpergröße: Ab Mitte der 60er-Jahre hat der Hund mit aufgestellten Ohren fast die Höhe der ihn umgebenden Kinder erreicht.

Eine weitere Snoopy-Briefmarke, in diesem Fall von der Deutschen Post

© imago/Joko © PNTS

Im Gegensatz zu den menschlichen Akteuren des Strips nutzt Schulz zur Vermittlung der vielfältigen Gedanken und Gefühlszustände von Snoopy nicht nur dessen Gesicht. Wie ein Pantomime setzt der Hund seinen ganzen Körper als Medium seiner Emotionen ein.

Besonders vielsagend sind seine Ohren: Hängend oder aufgestellt, fliegend oder wackelnd, angewinkelt oder geknickt vermitteln seine Lauscher eine enorme Bandbreite an Empfindungen. Und in besonderen Momenten kann er sie als Propeller einsetzen, um wie ein Hubschrauber davonzufliegen.

Als ich 13 Jahre alt war, bekamen wir einen schwarz-weißen Hund, der der Vorläufer von Snoopy werden sollte.

„Peanuts“-Schöpfer Charles M. Schulz

Snoopys Herkunftsgeschichte ist eng mit der Biografie seines Schöpfers verknüpft. „Als ich 13 Jahre alt war, bekamen wir einen schwarz-weißen Hund, der der Vorläufer von Snoopy werden sollte“, hat Schulz in einem Essay über seine Jugend in St. Paul, Minnesota, geschrieben.

Der Hund, den die Familie auf den Namen Spike taufte, konnte Schulz zufolge 50 menschliche Worte verstehen, beherrschte ungewöhnliche Tricks und fraß fast alles, einschließlich kleiner metallischer Gegenstände.

Mit der zunehmenden Bedeutung von Snoopy im Comic wächst auch dessen Popularität jenseits des Zeitungsstrips. Zahlreiche TV-Animationsreihen und Kinofilme machen die Figur zusätzlich populär.

Zahlreiche „Peanuts“-Skulpturen erinnern in St. Paul, Minnesota, an den hier geborenen Zeichner Charles M. Schulz, hier zwei Skulpturen mit Snoopy und Lucy.

© Lars von Törne

1968 ist ein großer Snoopy-Ballon erstmals Teil der populären Thanksgiving Day Parade des Kaufhauses Macy’s in New York. 1969 wird die Mondlandefähre des Apollo-10-Raumfahrtprogramms auf den Namen „Snoopy“ getauft, eine Auszeichnung der US-Weltraumbehörde wird nach ihm benannt, ebenso ein Flugzeug der US-Luftwaffe.

Und der Satz „Happiness is a warm puppy“ („Glück ist ein warmes Hündchen“) aus einer „Peanuts“-Folge von 1960 wird zur stehenden Redewendung und inspiriert unter anderem den Beatles-Song „Happiness Is a Warm Gun“.

Dass Snoopy unter allen „Peanuts“-Figuren diejenige ist, die es auch außerhalb des Comicstrips am weitesten bringt, dürfte zum großen Teil mit seinem ikonischen Erscheinungsbild zu tun haben, das an andere unverwechselbare und global erfolgreiche Comic- und Cartoonmarken wie Micky Maus denken lässt.

Viele Snoopy-Fans kennen die Comics mit der Figur kaum oder gar nicht, aber sie lieben den Beagle als Kuscheltier oder Plastikmaskottchen, als Dekoration auf Schulutensilien, Essgeschirr, Bettwäsche oder Kleidungsstücken, als Alltagsphilosoph auf Grußkarten und Postern mit kleinen Lebensweisheiten.

Gerade in Ländern außerhalb der USA, in denen Schulz’ Comics nicht unbedingt zum kulturellen Kanon gehören, ist Snoopy vor allem durch das „Peanuts“-Merchandising allgegenwärtig.

Rund 2,5 Milliarden Dollar werden nach Schätzungen des Wirtschaftsberatungsunternehmens Deloitte auch heute noch jährlich weltweit mit Lizenzen für „Peanuts“-Produkte erwirtschaftet. Und die Popularität wächst weiter, unter anderem durch neue Kinofilme und Animationsserien.

Die Rechte an den Figuren liegen bei der Firma Peanuts Worldwide, an der Schulz’ Erben einen Anteil haben. Zwei Drittel dieser Einnahmen werden außerhalb der USA generiert.

Bei einem Großteil der „Peanuts“-Produkte steht Snoopy im Zentrum. Besonders populär ist er in Japan, wo auch andere gezeichnete Figuren wie Hello Kitty oder Pikachu kommerziell enorm erfolgreiche Marken sind, die das dort weit verbreitete Niedlichkeitskonzept Kawaii verkörpern.

Seit 2016 gibt es in Tokio ein Museum, in dem Fans Originalzeichnungen der „Peanuts“-Comics betrachten und Produkte mit den Figuren darauf kaufen können. Das einzige andere Museum dieser Art gibt es seit 2002 in den USA. Während die „Peanuts“-Sammlung in Kalifornien den Titel „Charles M. Schulz Museum“ trägt, ist es in Japan schlicht das „Snoopy-Museum“.

Eine wiederkehrende Pointe bei den klassischen „Peanuts“-Comics ist, dass Snoopy in seiner grenzenlosen Fantasie und seiner ebenso grenzenlosen Egozentrik fast alle Figuren, die er verkörpert, mit dem Attribut „weltberühmt“ einführt. Bezüglich seiner globalen Popularität sind die kühnen Träume des Beagles tatsächlich Realität geworden.

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