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Herz aus Gold. Terence Hill (rechts) im Film „Lucky Luke“, 1991.

© Foto: p-a/dpa

80. Geburtstag: Terence Hill - der Spitzbub des Unterhaltungsfilms

Terence Hill feierte im Italowestern große Erfolge. Als Schauspieler ist er bis heute aktiv. Am Freitag wurde er 80 Jahre alt.

Zum deutschen Kinopublikum musste man ihn mit einer Schlinge um den Hals zerren: Es war 1964, in Harald Reinls Karl-May-Film „Winnetou II“, als Assiniboin-Indianer Terence Hill in der Rolle des Leutnant Merril an einen Marterpfahl und damit an einen zentralen Ort des BRD-Trivialfilms banden. Gottlob ging die Sache gut aus: Der junge Merril hat ein Herz aus Gold und nichts als Frieden im Sinn – und das junge Kinopublikum dieser Tage einen Schwarm mehr zum Anhimmeln. Weitere May-Auftritte folgten, 1965 dann die erste Titelstory in der „Bravo“.

Freilich hieß der junge Italiener mit den feinen Zügen und dem welpig-verträumten Blick damals noch Mario Girotti. Doch mit seinen gerade mal 25 Jahren blickte er damals schon auf mehr als zehn Jahre Filmerfahrung zurück.

Italowestern-Welle brachte den Durchbruch

Das italienische Wirtschaftswunderkino der 50er Jahre machte es möglich: Dino Risi hatte den kleinen Mario 1953 entdeckt, er spielte in der Commedia all’italiana, schließlich mit Luchino Viscontis „Der Leopard“ im großen, monumentalen Autorenkino – wenngleich alles immer in zweiter Reihe.

Nach den ersten Ausritten in die teutonische Trivialfilm-Prärie war es schließlich die Italowestern-Welle, mit der sich Girotti vom Schicksal des ewigen Nebendarstellers frei schwamm. Neben Auftritten in Close-Up und Scope bescherte sie dem großen Blonden mit den hellblau strahlenden Augen einen neuen Namen sowie einen Filmkumpel auf Lebenszeit: 1967 stellte sich das Duo Bud Spencer und Terence Hill In „Gott vergibt – Django nie“ erstmals dem Publikum vor.

Wobei dem zynischen, in Schlamm gekochten Western die typisch burlesken Spencer/Hill-Merkmale – herzliches Raufen, fröhliches Fressen, gammelnde Leistungsverweigerung und stets den Schalk im Nacken – noch weitgehend fehlen. Kein Wunder: In Italiens Filmindustrie war kein Erfolg vor vagabundierenden Epigonen gefeit – und gerade hatte Sergio Corbucci mit Franco Nero als brutalem Antihelden „Django“ den Hit der Saison vorgelegt. Hills verblüffende Ähnlichkeit mit Nero war für die Konkurrenz das zentrale Marketingtool für inoffizielle „Django“-Sequels.

Verkörperung eines Spott-Prinzips

Erst die schluffig-schelmische Westernkomödie „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ (1970) brachte die Spencer-Hill-Formel und damit eines der bahnbrechendsten Erfolgsrezepte des europäischen Unterhaltungskinos auf den Begriff: „Vier Fäuste für ein Halleluja“, hieß denn auch das Sequel. Bis Mitte der 80er war das Komiker-Paar Stammgast auf den Leinwänden, seitdem hält eine insbesondere in Deutschland treue Fankultur sein Andenken in Ehren. Rainer Brandts mit Kneipenjargon durchsetzte Schnodder-Synchros der im Original deutlich lakonischeren Filme trugen das Ihre zu dieser internationalen Liebesgeschichte bei.

Nicht nur wegen dieses anhaltenden Erfolgs fühlt sich Hill diesem Land bis heute verbunden: 1939 als Sohn einer Deutschen in Venedig geboren, verbrachte er seine Kindheit deutschsprachig bei Dresden. Auch heute absolviert er hiesige Medienauftritte auf Deutsch – im vergangenen Jahr etwa anlässlich der von Fans gefeierten Kinotour seines Roadmovies „Mein Name ist Somebody“.

Zu dieser langen Geschichte, wie aus Mario Girotti erst der Schauspieler und dann die Filmfigur Terence Hill wurde, passt ganz gut, dass er auch in „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ eingangs ins Bild gezogen wird: Diesmal allerdings von einem Gaul, während Hill als „der müde Joe“ entspannt auf einer hinter dem Pferd angebrachten Liege buchstäblich kein Aufhebens macht. Eine Gammlerfigur wie geschnitzt für den Zeitgeist der frühen 70er: Hedonistisch und sanft kleinkriminell, ein gewitzter Schelm mit ausgeprägtem Gerechtigkeitsempfinden, mit Schlag bei den Frauen und Schlägen für die Herren – ein Träumer zwar, aber Realist genug, um zu wissen, dass am Ende nur der am schnellsten gezogene Colt zählt, und der gerade im Kontrast zum brummigen Bud Spencer seine Kontur als Verkörperung eines spöttischen Prinzips gewinnt.

Im Grunde genommen stellen Hills weitere großen Auftritte lediglich Varianten dieser aller Unbill mit einem Lächeln begegnenden Figur dar. So auch im Genreklassiker „Mein Name ist Nobody“ (1973), mit dem sich Hill vom epigonalen und Klamauk-Western in die A-Riege des Genres emanzipierte.

Sympathische Außenseiter

Gespickt mit zahlreichen Referenzen und entstanden zu einer Zeit, da der Italowestern künstlerisch eigentlich schon ausgereizt war, stellt der unter Mitwirkung von Sergio Leone entstandene Film einen mal heiteren, mal melancholischen Abgesang auf die Mythen des Genres dar – und lässt dafür den Ur-Mythos des Mittelmeerraums anklingen, wenn Hill als „Nobody“ wie eine Art Wiedergänger des listenreichen Odysseus auftritt, der sich bekanntlich ebenfalls mal „Niemand“ nannte.

Das Dreamteam Spencer-Hill erwies sich indessen auch in zeitgenössischen Settings, mit Vorliebe in sonnigen Gefilden Amerikas, als erfolgreich. Als sympathische Außenseiter, die keiner Rauferei aus dem Weg gehen, legten sie sich mit Ganoven an, schürften nach Smaragden oder suchten andere Wege, um einer bürgerlichen Existenz zu entgehen. Sieht man diese unbekümmerten Filme heute, macht sich ein Verlustgefühl bemerkbar: Dem kalten und zynischen Gegenwartskino sind solche naiven, dem Schelmenroman entsprungene Draufgängerfiguren abhanden gekommen.

Erhalten bleibt uns indessen Terence Hill selbst. Wer ihn zuletzt sah, staunt über seine ungebrochen jugendliche Ausstrahlung. Kaum zu glauben, dass dieser ewige Spitzbub des Trivialfilms an diesem Freitag seinen 80. Geburtstag feiert. Der müde Joe hat es auch mit dem Altern nicht eilig.

Thomas Groh

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