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Kultur: Adieu tristesse

Oft taugt es, wenn die Handlung auf der Leinwand möglichst realistisch dargestellt wird, beängstigend wird es, wenn traurige Filmrealität ihre Fortsetzung im wahren Leben zu nehmen scheint. In dem preisgekrönten polnischen Sozialdrama "Hi Tereska" scheint die Filmhandlung in das Leben der jungen Hauptdarstellerin nahtlos überzugehen.

Oft taugt es, wenn die Handlung auf der Leinwand möglichst realistisch dargestellt wird, beängstigend wird es, wenn traurige Filmrealität ihre Fortsetzung im wahren Leben zu nehmen scheint. In dem preisgekrönten polnischen Sozialdrama "Hi Tereska" scheint die Filmhandlung in das Leben der jungen Hauptdarstellerin nahtlos überzugehen. Die von polnischen Medien wegen ihrer überzeugenden Darstellung der Titelheldin umjubelte siebzehnjährige Aleksandra Gietner macht derzeit Negativschlagzeilen. Nach ihrer Flucht aus dem Erziehungsheim wurde sie bei einem Ladeneinbruch erwischt. Nun wird die geplante Hollywoodtour ohne sie stattfinden.

Mit "Hi Tereska" trifft der 50-jährige Regisseur Robert Glinski den Nerv der Zeit. Er imitiert nicht wie mancher seiner Kollegen das US-Actionkino oder setzt den Trend zur Verfilmung der polnischen Literaturklassik fort. Sein schwarz-weißes, im Dokustil gedrehtes Werk ähnelt eher den britischen Milieustudien. Der Ort: eine namenlose Plattenbausiedlung - architektonisches Markenzeichen des Sozialismus, einst so typisch zwischen Wladiwostok und Ostberlin. Auch heute sind sie nicht gerade Orte, an denen die Hoffnung wohnt. Das Leben der 15-jährigen Tereska scheint vorherbestimmt. Der arbeitslose Vater lässt sein Leben vor der Glotze verstreichen, seine Wutanfälle drängen das Mädchen in die rauhe Betonsiedlung hinaus. Die Mutter setzt ihre Hoffnungen eher in die jüngere Tochter. Die erträumte Schneiderinnenschule entpuppt sich als eine leere Illusion. Frustration und Alkoholmissbrauch münden in Gewalt.

All das hat das sozialkritische Kino oft gezeigt - doch Glinskis Bilder prägen sich ein, und wenn die naive Tereska plötzlich ihre aufgestaute Wut auf einem ebenfalls gescheiterten, an den Rollstuhl gefesselten Türwächter entlädt, wird einem eiskalt im Rücken. Letztlich wird der Film von der Authentizität der Darsteller getragen, deren Film-Schicksal sich genau so auch in Problembezirken von Berlin oder den Vorstädten von Paris hätten abspielen können. Die Heimleitung hat den Dreharbeiten zugestimmt - wohl in der Hoffnung, die Aufgabe könne der kreativen Aleksandra neue Perspektiven aufzeigen. Aber das Rampenlicht war wohl doch nicht so verlockend. Im Film ist es eine Chorfahrt nach Frankreich, die eine Alternative symbolisierte. Tereska nahm sie nicht wahr.

Tomasz Nowak

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