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Wortkünstler. Der Rapper Ufo361.

© Stay High

Album „Rich Rich“ von Ufo361: Gefangen im Reichtum

Der Kreuzberger Trap-Künstler Ufo361 erzählt in „Rich Rich“ von den Schattenseiten des sozialen Aufstiegs. Es ist eines der besten Deutschrapalben des Jahres.

Von Johann Voigt

Das Jahr 2020 begann mit einem Schock: In der Silvesternacht wurde Ufuk Bayraktar Schmuck im Wert von 300.000 Euro aus einem Bankschließfach gestohlen. Bayraktar ist 31 Jahre alt, rappt unter dem Namen Ufo361 und sein fünftes Soloalbum heißt „Rich Rich“. In den Ruin getrieben hat ihn der Diebstahl demnach nicht, denn Ufo361 zelebriert seinen Reichtum auf jedem einzelnen Song des Albums.

Im Titeltrack stellt er die Frage: „Warum redest du, wenn du kein Cash hast?“ Darin schwingt Abschätzigkeit gegenüber all jenen mit, die es innerhalb eines neoliberalen Systems aus welchen Gründen auch immer vermeintlich nicht „geschafft“ haben. Doch diese Interpretation ist ein Missverständnis.

Ufo361 hat mit „Rich Rich“ schon jetzt eines der besten Deutschrapalben des Jahres veröffentlicht. Der Berliner ist für die Ästhetik von Deutschrap so wichtig wie kaum jemand zurzeit. Denn als einer der wenigen deutschen Rapper hat er es geschafft, den in den USA seit über zehn Jahren dominierenden und sich stetig weiterentwickelten Trap-Sound ins Deutsche zu transformieren, ohne verkrampft oder albern zu klingen.

„Rich Rich“ handelt auf den ersten Blick vom Angekommen-Sein. Nach dem Album „808“ von 2018, auf dem er Depressionen und Albträume verarbeitete, und nach seinem Rückzug aus der Öffentlichkeit im letzten Jahr zelebriert das aktuelle Werk den Eskapismus nach der Depression, die noch immer mitschwingt.

„Rich Rich“ zu sein macht nicht glücklich, sondern einsam. Das ist wohl die Erkenntnis des Albums. „Ich will allein sein/ Wenn ich mein Geld zähl’“, rappt er auf dem Song „Allein sein“. Und er klingt dabei gequält.

Vermischung und Verfeinerung

Mit Blick auf Ufos Werdegang ist die Frage „Warum redest du, wenn du kein Cash hast?“ weniger als Abwertung finanzschwächerer Menschen zu verstehen, sondern vielmehr als Selbstbefragung seines früheren Künstler-Ichs. Denn seine einstige Realität war genau das: ein lautes Reden und Aufbäumen über Beats, ohne dabei das besagte Cash in der Tasche zu haben, weil sich kaum jemand für die Musik und den Künstler dahinter interessierte.

Das Debütalbum „Ihr seid nicht allein“ von 2014 floppte. Es ist nicht mal auf Ufos Wikipedia-Seite verzeichnet. Erst einige Jahre später folgten die Gründung des eigenen Labels Stay High, der Aufstieg und damit schließlich auch das Geld.

In der Karriere und in der Musik von Ufo361 ging es schon immer um Experimente mit Sounds, um deren Vermischung und Verfeinerung. Und natürlich ging es auch um die Frage, wie mit Hip-Hop der soziale Aufstieg gelingen kann. Ufo361 ist rückblickend betrachtet vielleicht ein Straßenrapper, der seine Realität als Kind im Kreuzberg der neunziger Jahre in seinen Songs thematisiert, aber er war nie ein Gangsterrapper, der ein kleinkriminelles Dasein als etwas Erstrebenswertes inszeniert hat, wie etwa Bushido.

Ufo361 ist einer, der Schwäche zeigt, auf eine hypermännliche Inszenierung verzichtet, gerne auch mal in androgyner Kleidung auftritt. Das macht ihn sympathischer als viele andere Straßenrapper. Er repräsentiert auch auf „Rich Rich“ eine Abkehr von Rap als Inszenierung der Härte.

Misogyne Ausrutscher bleiben nicht aus

Trotzdem, und das ist ein Problem, gibt es auch in seinen Texten immer wieder misogyne Zeilen, werden Frauen immer wieder als Bitch bezeichnet. Wohl weil es die Vorbilderaus den USA genauso machen. „Sie ist lesbisch/ Doch sie lässt mich“ rappt er etwa auf „Do Not Disturb“ vom neuen Album. Um „Rich Rich“ genießen zu können, muss man diesen Song überspringen, ihn ausklammern. Er steht glücklicherweise nicht stellvertretend für die Musik von Ufo – besser macht es das nicht.

Trotz solcher Ausrutscher hat Ufo361 unter anderem zwei Nummer 1-Alben, zwei Gold- und vier Platin-Singles veröffentlicht. Bei Spotify hören ihn monatlich über vier Millionen Menschen. Erreicht hat er diesen Erfolg mit einem genauen Studium des Trap-Sounds, der im US-amerikanischen Atlanta seinen Ursprung hat.

Schon 2010 rappte er über den damals angesagtesten Trap-Beat („Hard In Da Paint“ von Waka Flocke Flame) und war damit einer der ersten deutschen Rapper, der dieser Ästhetik bediente. Seit 2015 veröffentlicht er nur noch Trap und orientiert sich dabei an Vorreitern wie Future, den Migos oder Gunna – allesamt Weltstars – und nimmt mittlerweile sogar Songs mit ihnen auf.

Und die sind tatsächlich besonders. Denn während teuer eingekaufte Kollaborationen zwischen US-Größen und Deutschrappern in der Regel krampfig und die Parts der Stars nach Resteverwertung klingen, ist Ufo361 auf Augenhöhe mit seinen Gästen. Das zeigt etwa der neue Song „Big Drip“ mit Future, bei dem sich der Gast augenscheinlich Mühe gibt und nicht nur den Inhalt seines B-Ware-Ordners verkauft hat.

Die Worte verschmelzen

Auf „Rich Rich“ geht es vor allem um den Vibe, um das Fließen. Verwaschene, zur absoluten Cheesyness aufpolierte Gitarrensounds und Synths tragen die mit Autotune manipulierte Stimme von Ufo. Was genau er da erzählt ist zweitrangig. Ein Text muss hier vor allem klanglich funktionieren.

Die Worte verschmelzen mit den sedierten Melodien und den hochkomprimierten Basslines. Die bearbeitete Stimme funktioniert als Instrument. Dazu kommen diese furchtbar hibbeligen Hi-Hats, die immer weiter tackern und die „Ich habe alles erreicht aber ich bin noch immer unzufrieden“-Erzählung der Songs spiegeln.

Geerdet ist Ufo361 also auch auf „Rich Rich“ nicht. Das Album bleibt unruhig. Es gibt kein Durchatmen, sondern es herrscht eine durchgängige Nervosität. Es ist der Soundtrack eines Getriebenen. Aber gerade die Unruhe von Songs wie „Rolling Loud“ oder „Final Fantasy“, die sich mit einer alle Protzereien konterkarierenden Melancholie paart, macht das Album so stark.

Der Sound negiert letztlich die Erfolgsgeschichte. Kurz vor Ende von „Rich Rich“ kommt Ufo361 in seiner Einsamkeit zu einer Erkenntnis, die seinen engen Prahl-Radius endlich einmal überschreitet: „Rich Rich bist du erst Dicker, wenn du teilst“.

Johann Voigt

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