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Ja, geh, ist das nicht Herr Mozart? Nein, es ist Albrecht Mayer, der vor dem Potsdamer Marmorpalais Verkleiden spielt.

© Chr. Köstlin

Album von Albrecht Mayer: Was hätte wohl Mozart getan?

Albrecht Mayer, Mitglied der Berliner Philharmoniker, ist ein international gefragter Solist und Festivalmacher. Jetzt bringt er ein Mozart-Album heraus. Ein Porträt.

Gerade einmal 61 Takte umfasst das Manuskript von Mozarts Oboenkonzert. Die Orchestereinleitung und den ersten Einsatz der Solostimme hat der Komponist 1778 notiert – und dann aus ungeklärten Gründen die Arbeit an dem Werk abgebrochen. Diese kargen Fakten mögen der Wissenschaft genügen, ein leidenschaftlicher Musiker wie Albrecht Mayer aber kann sich damit nicht abfinden, dass es nur diesen Stummel eines Oboenkonzerts aus der Feder des größten Musikgenies aller Zeiten gibt.

Drei Mal schon hat der Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker darum eine Rekonstruktion in Auftrag gegeben, hat heutige Komponisten dazu überredet, aus dem Fragment zumindest den Kopfsatz des Konzerts zu entwickeln. Drei Mal aber war das Ergebnis für ihn nicht zufriedenstellend.

Enjott Schneider ließ sich von dem Fragment zu einem modernen Stück inspirieren, die beiden anderen, auf historische Authentizität bedachten Versuche gerieten „einfach nicht oboistisch“ genug, wie Albrecht Mayer im Telefoninterview erklärt: Sie waren dem Holzblasinstrument nicht auf den Leib geschrieben. So, wie Mozart das gekonnt hätte. „Er war ja mit zwei der bedeutendsten Oboisten seiner Zeit befreundet“, erklärt Mayer, „darum kannte er sich sehr gut aus mit den Möglichkeiten des Instruments.“

Doch die Sache ließ ihm keine Ruhe, gerade weil das Fragment „so überirdisch schön“ ist. „Letzten Endes habe ich mich entschieden, mich selbst intensiv einzubringen in die Rekonstruktion und habe mich dann mit dem Schweizer Komponisten Gotthard Odermatt darangesetzt.“

Anderthalb Jahre dauerte die Tüftelei an dem elfminütigen Opus – und tatsächlich ist auf Albrecht Mayers neuem Album jetzt ein „Allegro für Oboe und Orchester“ zu hören, das absolut authentisch nach Mozart klingt. „Dafür haben wir die gesamte musikalische Topografie dieser Zeit ,verdaut’, alles Instrumentale und alles, was in F-Dur geschrieben worden ist“, sagt Albrecht Mayer. Eine Fleißarbeit, die sich gelohnt hat.

Seit frühen Jugendtagen begleitet ihn Mozarts Musik

Nur zu gerne hätte der 55-Jährige die frohe Botschaft von der Geburt dieses virtuosen Gedankenkindes jetzt live in die Welt hinausgetragen. Doch die dafür geplante Tournee durch zehn wichtige Konzertsäle musste coronabedingt abgesagt werden. Dass es allerdings im vergangenen Sommer überhaupt zu den Aufnahmesitzungen für das CD-Projekt mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen kommen konnte, in einer Dorfkirche vor den Toren der Hansestadt, war ja schon ein Glücksfall in diesen Zeiten.

Seit frühen Jugendtagen begleitet die Musik Mozarts Albrecht Mayer, die Motette „Ave verum corpus“ beispielsweise sang er schon als Knabe im Bamberger Domchor. Doch erst jetzt, fast ein halbes Jahrhundert später, fühlt er sich als Künstler und Mensch reif genug, um die Gefühlstiefe ausdrücken zu können, die er in den Kompositionen spürt.

Und tatsächlich spendet das Album dem Zuhörer puren Seelentrost. Neben dem rekonstruierten Oboenkonzert spielt Mayer darauf zusammen mit dem Pianisten Vital Julian Frey auch eine Bearbeitung des Doppelkonzertes für Flöte und Harfe für sein Instrument und Cembalo sowie eine Oboen-Fassung des Geigen-Rondos KV 373. Wie nahe der Philharmoniker-Solist auf seinem Instrument dem Klang der menschlichen Stimme kommen kann, zeigt er außer mit „Ave verum corpus“ auch noch mit seinen wortlosen Versionen zweier Konzertarien sowie der Motetten „Exultate jubilate“: grandiose Musik, berührend auf der Oboe gesungen.

Gewidmet hat Albrecht Mayer das Album übrigens seiner Tochter Laura, die gerade sieben Jahre alt geworden ist: „Ich gehöre zu den Vätern, die über ihr Kind sagen: Natürlich ist sie in einem bestimmten Bereich sehr begabt.“ Und zwar am Klavier: „Sie improvisiert bereits seit drei Jahren, spielt zusammenhängende Musik mit Akkorden und Melodie. Das macht mir große Freude.“

Und sogar einen Mozart-Vergleich wagt er: Denn schließlich sei ja auch das Wolferl in einem Künstlerhaushalt aufgewachsen, wurde „täglich von der musikalischen Präsenz seines Vaters begleitet“. Wobei der Oboist gleich eine Relativierung nachschiebt, was den Ehrgeiz angeht: „Wir sind aber weit davon entfernt, Eislaufeltern zu sein! Mehrere Stunden pro Tag mit einem kleinen Kind arbeiten, das hat für mich zu viel von Qual.“ Und auch Leopold Mozarts Taktik, maximalen finanziellen Profit aus den Talenten seines Nachwuchses zu schlagen, liegt Albrecht Mayer und seiner Frau fern.

Mayer fährt in seiner Karriereplanung dreigleisig

Die Elternschaft aber hat offensichtlich eine verspielte Seite in dem Philharmoniker wachgekitzelt. Auf den Fotos, die fürs CD-Booklet in Potsdam entstanden sind, präsentiert er sich unter anderem in barocker Aufmachung, mit Kniebundhosen und Spitzenjabot. Was zusammen mit dem stark geschminkten Gesicht nach italienischer commedia dell’arte aussieht.

Rock, Weste und Schnallenschuhe hatte er sich für das Shooting extra beim „Theaterkunst“-Kostümverleih in Wilmersdorf besorgt. Dass ihm im Neuen Garten vor dem Marmorpalais dann gleich mehrere Spaziergänger tatsächlich als Mozart ansprachen, hat ihn verblüfft: „Obwohl ich ja kein Schild umgehängt hatte, auf dem stand, wen ich darstelle.“

Weil Albrecht Mayer bei seiner Karriereplanung mittlerweile dreigleisig fährt – neben seiner Philharmoniker-Position und seinen internationalen Aktivitäten als Solist leitet er seit 2016 auch noch die „Musikwoche Hitzacker“ – musste er die vielen Auswirkungen der Pandemie auf das Berufsleben am eigenen Leib erfahren. Dass er als staatlich angestellter Virtuose ein festes Monatseinkommen hat, weiß er als „riesiges Privileg“ zu schätzen.

Sein Festival wurde mehrmals verschoben

Zwar sind ihm durch die Absage fast aller solistischen Auftritte zwei Drittel seiner Einnahmen weggebrochen, doch er hat von freiberuflichen Musikerinnen und Musikern gehört, die schon Instrumente verkaufen mussten, um über die Runden zu kommen.

Beim Frühjahrsfestival im beschaulichen Wendland fiel vor einem Jahr ein Teil des bereits laufenden Programms dem ersten Lockdown zum Opfer, für 2021 hat Albrecht Mayer schon diverse organisatorische Umplanungsrunden hinter sich – und außerdem den Termin der „Musikwoche Hitzacker“ bereits nach hinten verschoben, auf Ende April, Anfang Mai.

„Wenn man uns allerdings erneut kurzfristig sagen sollte: Ihr könnt die Konzerte nicht live machen!“, betont er, „dann bringt das so ein kleines Festival nicht nur zum Schlingern, sondern dann bedeutet es sein endgültiges Aus.“

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