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Richard Strauss.

© Imago/Mary Evans

Alfred Roller, Richard Strauss, Hugo von Hofmannsthal: Diese Briefe geben Einblick in die Theatergeschichte

Der Briefwechsel zwischen Alfred Roller, Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal ist erschienen.

Vor 100 Jahren waren sie ein einflussreiches Künstlertrio, der Dichter Hugo von Hofmannsthal, der Komponist Richard Strauss und der Bühnenbildner Alfred Roller. Doch während das Verhältnis von Strauss zu Hofmannsthal zu den Lieblingen der Forschung gehört, ist Roller in Vergessenheit geraten. Was sicher damit zu tun hat, dass die szenische Kunst auf der Bühne vergänglich ist.

Als zentrale Persönlichkeit des deutsch-österreichischen Theaters zu Beginn des 20. Jahrhunderts aber nimmt er in der Entstehungsgeschichte der Werke des Trios zweifellos die Position eines Mit-Urhebers ein. Der 1864 in Brünn geborene Roller, Gründungsmitglied der Wiener Secession und deren Präsident seit 1901, Redakteur der Zeitschrift „Ver Sacrum“, Professor an der Wiener Kunstgewerbeschule und Ausstattungschef der Wiener Oper wurde von seinen beiden Gefährten innig bewundert. Den „genialen Mitschöpfer des Rosencavalier“ nennt ihn Strauss in einer Widmung.

„Mit dir keine Oper zu lang“: So haben Christiane Mühlegger-Henhapel und Ursula Renner ihre Edition betitelt, die den Briefwechsel zwischen Hofmannsthal und Roller beziehungsweise Roller und Strauss erstmals vollumfänglich erfasst (Verlag Benevento, 464 Seiten. 58 €).

In den Schriftstücken wird niemals geduzt, es bleibt förmlich bis zum Ende: „Hochverehrter Herr Doktor“, „Verehrter Herr von Hofmannsthal“ und „in herzlicher Ergebenheit der Ihre“. Umfangreich präsentiert die Bilddokumentation den Maler Alfred Roller in seinen kreativen Bühnenbildentwürfen mit ihren dunklen Räumen wie aus Träumen und unzähligen Kostümfigurationen.

„Jedes Kunstwerk trägt das Gesetz seiner Inszenierung in sich“, postuliert Roller, und in diesem Geist bringt das Trio die Opern „Elektra“ (Wien 1909), „Rosenkavalier“ (Dresden/Wien 19011), „Die Frau ohne Schatten“ (Wien 1919), „Josephs Legende“ (Wien 1922) und „Die Ägyptische Helena“ (Wien 1928) auf den Weg. Vorausgegangen waren gemeinsame Projekte Hofmannsthals mit Roller. Der Dichter bedankt sich mit Widmungen seines Dramas „Ödipus und die Sphinx“ sowie seiner Komödie „Cristinas Heimreise“, beide uraufgeführt am Deutschen Theater unter Max Reinhardt.

Die Korrespondenz gerät durch den Ersten Weltkrieg ins Stocken

Eine „unmaßgebliche Anregung“ Hofmannsthals zum „Rosenkavalier“ zeigt, welche Aufmerksamkeit im Detail, in der Kostümierung der Figuren steckt: „Ihre Gedankenverknüpfung mit Helene Fourment wunderte mich ein wenig: ich dachte für die Marschallin nicht an Pelzmantel, sondern an geblümten Brocat mit schmalem Pelzbesatz.“

Den Begriff „Bühnenbildner“ empfindet Roller als unzutreffend, er versteht sich als „Theaterarbeiter“, zuständig für die Theaterwerkstatt. Selbst als es um den Werktitel „Rosenkavalier“ und die Stellung der Autorennamen im Druck geht, berät man sich mit Roller. Plötzlich hat es „brennende Eile mit dem Regiebuch“, das er zusammen mit Hofmannsthal erstellt. Strauss schickt „diese schöne Arbeit“ an mehrere Theater, damit sie ihre Aufführungen danach richten. „Ihr Regiebuch ist Reinhardts helle Bewunderung“, schreibt der Komponist an Roller, „er erklärte es als Modell und einfach meisterhaft“.

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In Hofmannsthals Kopf gedeiht ein neues Stück. Er schickt 1910/11 Auflistungen der Figuren an Roller, „damit Ihre Phantasie sich damit beschäftigen kann“. Trotz überstürzter Proben wird die Uraufführung des „Jedermann“ 1911 in Berlin ein Erfolg.

Der Erste Weltkrieg lässt Korrespondenz und gemeinsame Projekte stocken. Roller hat „Verdienstarbeit“ gefunden und führt kriegsbedingt keine Theaterarbeiten aus. Dennoch ist es ihm schon 1917 darum zu tun, „die Skizzen der Frau ohne Schatten zum Abschluss zu bringen“. Man staune über die Akkuratesse, die Roller auf das Studium des Krappfärbeverfahrens verwendet, da es im Stück um das Handwerk des Färbers Barak gehen soll.

Roller bleibt mit Strauss in Verbindung

„Seit Wochen Ungewissheit und hilfloses Herumgelaufe“ (Roller) in Salzburg und Wien: Die Inflation frisst die Salzburger Festspiele. 1920 wird mit „Jedermann“ eröffnet, 1922 folgt unter Reinhardt und Roller „Das Salzburger Große Welttheater“ von Hofmannsthal. Um „von Ihnen richtig verstanden zu werden“, analysiert der Dichter dazu in einem seiner empfindsamsten Briefe sein Anliegen, „eine mythische Welt vor die Seele zu bringen“: „Sie würden manche dieser Gestalten am liebsten in heutigen Kleidern sehen. Ich pflichte Ihnen durchaus bei. Der Anachronismus ist das Lebenselement der Poesie. Sie nimmt die Gegenwart so hoch so weit so tief, dass alle Vergangenheiten in ihr lebendig sind.“

Unterdessen sind Strauss und Roller damit beschäftigt, die Millionen-Beträge von Kronen abzuschätzen, die als Ausstattungskosten „mit Fundusbenützung“ einzelner Opern anfallen. Die Salzburger Festspiele fallen 1923/24 der Wirtschaftskrise zum Opfer.

Im „Neuen Wiener Journal“ erscheint im Mai 1929 ein Artikel über „Die neueste Richard-Strauß-Oper“. Es ist „Arabella“, zu deren erstem Akt Strauss dem Dichter Glückwünsche telegrafiert. Sie erreichen Hofmannsthal nicht mehr, er stirbt am 15. Juli. Roller bleibt mit Strauss in Verbindung, die Korrespondenz wird sparsamer. 1934 trifft der Musiker seinen Theaterarbeiter noch einmal in Bayreuth. Schon an Krebs erkrankt, stattet Alfred Roller bei den Festspielen auf Empfehlung Hitlers den „Parsifal“ aus, den Richard Strauss dirigiert.

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