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Der Sänger Thomas Quasthoff.

© dpa

Sängerkarriere - Thomas Quasthoff: Alles auf Start

Thomas Quasthoff beendet seine Sängerkarriere und kümmert sich in Zukunft nur noch seinen Aufgaben als Dozent

„Ich habe mich entschlossen, mich nach fast 40 Jahren aus dem Konzertleben zurückzuziehen, weil es mir meine Gesundheit nicht mehr erlaubt, dem Anspruch, den ich immer an mich selber und an die Kunst gestellt habe, gerecht werden zu können.“ Ein Satz nur, eine dürre Meldung. Und doch ein Paukenschlag. Thomas Quasthoff, einer der berühmtesten Sänger der Klassikszene, hört auf, muss aufhören. Seine Contergan-Erkrankung zwingt ihn dazu. In seinem 53. Lebensjahr. „Ich habe dem Beruf sehr viel zu verdanken“, betonte er am Mittwoch: „Und ich gehe ohne Bitterkeit.“

Man hätte es voraussehen können. Doch so richtig wollte wohl keiner die Zeichen deuten. Hatte der Bassbariton in letzter Zeit nicht immer wieder krankheitshalber Konzerte abgesagt? „Kehlkopfentzündung“ hieß es zumeist. So etwas kann jeden Sänger mal erwischen. Und doch waren da noch mehr Warnhinweise. Im Oktober 2011 erklärte der stilistisch so vielseitig Interessierte, er werde dem Rat seiner Ärzte folgen und keine Jazz-Konzerte mehr geben. Seinen kurzen Ausflug in die Opernwelt hatte Quasthoff bereits wieder 2006 beendet. Die Frage, ob es auch dabei um Fragen der körperlichen Belastbarkeit ging, mochte keiner stellen.

So früh Quasthoffs musikalisches Talent erkannt worden war, so schwer ließen sich seine Träume realisieren. Die Musikhochschule Hannover lehnte ihn mit dem Argument ab, aufgrund seiner Behinderung könne er die geforderten Klavier-Prüfungen nicht ablegen. Erst als sein Vater 1972 einen Abteilungsleiter beim Landesfunkhaus Niedersachsen überredete, sich den 13-jährigen Thomas wenigstens fünf Minuten lang anzuhören, wurde der Weg zur Profiausbildung frei. Der internationale Durchbruch gelang ihm allerdings erst 1988, mit dem Sieg beim ARD-Musikwettbewerb. Was dann begann, war eine bewegte, bewegende Erfolgsgeschichte. Aber eben auch eine Sängerkarriere auf Abruf.

Sparsam musste Quasthoff immer umgehen mit seinen Live-Auftritten. Dass er besonders oft in Berlin zu erleben war, hat mit seiner Freundschaft zu Dirigenten wie Daniel Barenboim, Simon Rattle oder auch Christian Thielemann zu tun. Seit 2004, als er von der Musikhochschule Detmold als Professor an die hauptstädtische Eisler-Hochschule wechselte, war ihm Berlin endgültig zum Lebensmittelpunkt geworden. Und wird es sicher auch bleiben: Hier wird er weiter unterrichten, hier betreut er seinen 2009 gegründeten Lied-Wettbewerb. Zudem darf man ziemlich sicher sein, dass sich der Ex-Bassbariton Thomas Quasthoff weiter zu Wort melden wird, nur eben mit seiner nicht minder beeindruckenden Sprechstimme, in Konzerten wie Diskussionsrunden. Schließlich zählt er zu den hellsten, meinungsfreudigsten Köpfen der Kulturszene. Mag es für seine Fans auch nur ein halber Trost sein: Thomas Quasthoff will dieses Karriereende ausdrücklich als Neustart verstanden wissen.

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