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Auszeit am Mekong-Delta. Thang (Truong The Vin), Cuong (Le Van Hoang), Tung (Mai Quoc Viet) und Vu (Le Cong Hoang).

© DNY

Phan Dang Di auf der Berlinale: Als wir schaukelten

Ein Sommer in Saigon: „Big Father, Small Father and Other Stories“, das zarte Cliquenporträt des vietnamesischen Regisseurs Phan Dang Di im Berlinale-Wettbewerb.

Du musst stillhalten, das geht sonst ins Geld, ermahnt Vu (Le Cong Hoang) seinen Mitbewohner Thang (Truong The Vinh), der für ihn vor der Kamera posiert. Weil Thang dabei immer herumalbert, werden die Abzüge nichts. So war das, damals in vordigitaler Zeit, als man noch Geduld, Geld und ein bisschen Ahnung brauchte für ein gutes Bild und nicht einfach dauerklickend draufhalten konnte.

Vu studiert Ende der neunziger Jahre Fotografie in Saigon. Er ist vom Land hergezogen in eine Wohngemeinschaft, die in einer Hütte am Fluss lebt. Im Hintergrund erheben sich die Hochhäuser der Wohlhabenderen. Thang, Vu und ihre Freunde gehören nicht dazu. Für sie ist Geld stets ein Problem. Ständig wird es erwähnt, gezählt und gezeigt in Phan Dang Dis Wettbewerbsbeitrag „Big Father, Small Father and Other Stories“.

Vietnam hatte in dieser Zeit mit den Auswirkungen der Asienkrise und einem massiven Bevölkerungszuwachs zu kämpfen. Männern, die schon Kinder hatten, zahlte der Staat eine Prämie, wenn sie sich sterilisieren ließen. Der 1976 geborene Regisseur Phan Dang Di las damals in der Zeitung über einige junge Männer, die ihre Arbeit verloren hatten und den Eingriff aus Geldnot vornehmen ließen – doch anschließend verprassten sie alles für eine Party. Diese Geschichte inspirierte ihn zu seinem zweiten Spielfilm nach dem Familiendrama „Don’t Be Afraid, Bi“. Der große Vater im Titel, das ist der Staat, mit dem kleinen könnte Vus Vater gemeint sein, der vom Land per Boot zu Besuch kommt. Oder die jungen Männer, die sich gegen das Vatersein entscheiden. Einer von ihnen gehört zu Vus Clique: Der muskulöse Fabrikarbeiter Cuong (Le Van Hoang) lässt sich die Samenleiter abklemmen und kauft seiner Freundin von der Prämie ein Mobiltelefon, das bald darauf ins Meer gespült wird.

Erinnert an den Film von Andreas Dresen

Die Stimmung in der Gruppe, zu der mit der Nachtclubtänzerin Van (Do Thi Hai Yen) auch eine wilde, starke Frau gehört, erinnert an Andreas Dresens „Als wir träumten“. Man geht zusammen in den Club, in dem Van tanzt und Thang an der Bar arbeitet, hängt Bier trinkend auf dem Balkon ab und prügelt sich mit den Schutzgeldeintreibern, die es unter anderem auf Tung (Mai Quoc Viet), den Musiker, abgesehen haben. Drogen sind ebenfalls im Spiel – und Begehren. Vu liebt seinen Mitbewohner Thang, der manchmal betrunkenen Sex zulässt. Doch als die Gruppe ein Zeit lang auf dem Schiff von Vus Vater im Mekong-Delta untertaucht, macht sich Thang an die Frau heran, die der Vater für den Sohn vorgesehen hat. Der alte Herr weiß schon, dass Vu eigentlich andere Vorlieben hat. Trotzdem schwimmt er eines Nacht zu dem kleinen Boot, in dem Vu und Thang liegen, bringt es zum Schaukeln und schließlich zum Kentern. Ein letzter, hilflos-komischer Erziehungsversuch.

Phan Dang Di blickt liebevoll auf seine jungen Figuren, die sich in Saigon alle auf die eine oder andere Art verkaufen müssen. Ihre Würde bleibt dabei seltsam unangetastet, selbst wenn sie Sex mit widerlichen Gangbossen oder Westtouristen haben. Nie sehen sie hilflos aus in den sorgsam fotografierten, farbintensiven Bildern, die Anmut und Ruhe ausstrahlen. Wie eine stumme Anklage wirkt dann der Schluss: Von oben blickt die Kamera auf einen Operationstisch, unbedeckt sind nur das Geschlecht und das Gesicht von Vu. Großer Vater, was soll das?

14.2., 9.30 Uhr (Friedrichstadtpalast), 12.30 + 17.30 Uhr (Haus der Berliner Festspiele), 15.2., 12 Uhr (Haus der Berliner Festspiele)

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