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Magische Finger: Der Pianist András Schiff.

© dpa

András Schiff zu Gast bei der Staatskapelle: Beethoven und sein Klangschatten

Musik, die atmet: Die Staatskapelle und András Schiff erspielen in der Philharmonie einen Abend voller feiner Bezüge und lyrischer Augenblicke.

Ein Abend der feinen Bezüge: „Con brio“ hat Jörg Widmann seine Konzertouvertüre genannt, Verweis auf das „Allegro con brio“, mit dem Beethovens 5. Symphonie eröffnet. Allerdings sind es dann vor allem die 7. und 8., mit denen sich Widmann auseinandersetzt. Es komme ihm auf Gestus und Geist an, sagt er, keine einzige Note werde direkt zitiert. Ein F-Dur-Akkord, der in ein Lachenmann’sches Luftgeräusch übergeht, klappernde Bögen, Rasseln, Pusten, dazwischen an Beethoven erinnernde Klangfragmente: Das Stück spielt mit seinen Materialien, denkt ihn weiter, Steinbruch und Hommage zugleich. Die Staatskapelle unter Daniel Barenboim stürzt sich heißhungrig in die Kleinteiligkeit der Partitur, ohne darüber das Ganze zu vergessen. Buhfreier Jubel ist die Belohnung.

Sein Landsmann Béla Bartók liegt, könnte man denken, András Schiff nahe. Doch mit dem 1. Klavierkonzert hat er seine Mühe. Bartók hat es in den 1920er Jahren geschrieben, Maschinenstampfen und Rhythmusdominanz entspringen dem Geist der Zwischenkriegszeit, in der zugleich eine barocke Form wieder in Mode kam, die fast auf Beethovens Epoche zurückverweist: das Concerto, in dem das Tutti mit einer Solistengruppe wetteifert, hier: Klavier plus Schlagwerksolisten. Die Expressivität des Stücks, seine ins Jazzige ragenden Rhythmen scheinen Schiff nicht zu liegen, in den ersten beiden Sätzen versanden seine Impulse, enthuscht er ins Unscheinbare. Erst den virtuoseren Finalsatz druckbetankt er mit Farbe und Glanz, hier kann er seine Qualitäten ausspielen: Balance, die nicht auf Kosten der Dramatik geht, überraschende Attacken, lyrische Augenblicke.

Die Detailverliebtheit steigert sich noch

Dann „originaler“ Beethoven. Edelbronzen, mit verhaltenem Tempo geht die Staatskapelle die Eroica an, nimmt sich Zeit zur Entwicklung von Phrasen und Bögen, stellt die Grandezza der Symphonie damit noch stärker heraus. Die Detailverliebtheit, die schon das Widmann-Stück prägte, steigert sich noch – und äußert sich nicht nur in glänzenden Oboen, Flöten oder Hörnern, sondern in der quicklebendigen Bewegtheit des gesamten Orchesters: atmende Musik. Wer immer der „grand Uomo“, der „große Mensch“ war, dem Beethoven das Werk widmete: Hier zeigt er sich als Held und Mensch, nahbar, fehlbar und verletzlich.

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