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Apple-Serie „The Super Models“: Das Märchen von Naomi, Christy, Cindy und Linda
Vier berühmte Models erzählen ihre Heldinnengeschichten. Düstere Kapitel halten sie dabei kurz.
Stand:
Was kommt dabei heraus, wenn eine Dokumentarserie über Supermodels von genau diesen produziert wird? Es war zu erwarten: ein Märchen. Erzählt wird darin, dass es in den 90er-Jahren eigentlich nur vier Supermodels gab, die die Welt der Mode beherrschten und von denen jedes für eine andere Superschönheit stand – analog zu den Marvel-Helden.
Christy Turlington, 54, war die klassische Schönheit, Naomi Campbell, 53, das erste schwarze Model, das es auf den Titel der französischen Vogue schaffte, Linda Evangelista, 58, der androgyne und wandelbare Typ und Cindy Crawford, 57, die All-American-Beauty.
Die anderen Models, die auch in diesem Universum auftauchten, kommen nur an der Peripherie vor, höchstens als „Topmodels“. „Supermodels“ allerdings, das waren angeblich nur diese vier, spätestens seit sie 1990 in George Michaels „Freedom“-Musikvideo auftraten und danach bei Gianni Versace singend Arm in Arm über den Laufsteg schritten.
Von Models zu Monstern
Wann immer die vier Frauen fortan eine Menschenmenge durchquerten, wurde viel gekreischt. Sie genossen ihre Berühmtheit, auch wenn Evangelista ihr Spruch „für unter 10.000 Dollar stehe ich gar nicht erst auf“ heute unangenehm ist. Ihrem Mitwirken an der Serie ist wohl auch geschuldet, dass ausführlich gezeigt wird, wie sie sich damals reumütig bei all ihren Fans entschuldigte.
Die Serie ist ein schöner Beleg dafür, dass sich die Supermodels noch immer ins richtige Licht zu setzen wissen – die Kontrolle abzugeben, ist ihre Sache offenbar heute so wenig wie damals. Als Christy Turlington 1997 das erste Mal nicht bei einer Schau laufen durfte, weil sie zugenommen hatte, beschloss sie, mit dem Modeln aufzuhören, studierte Literatur und Philosophie, schrieb Yogabücher und gründete Wohltätigkeitsvereine.
Wie es sich für ein Märchen gehört, wird erzählt, wie die vier aufsteigen, höher und höher, wie sie alles bekamen, was sie wollten. Dann, ganz oben, befand die Modewelt plötzlich, dass sie sich in Monster verwandelt hatten. In Frauen mit Ansprüchen nämlich, die in den besten Hotels absteigen und nur mit Chauffeur unterwegs sein wollten.
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In der Mode gibt es für solche Probleme eine einfache Lösung: Es musste etwas Neues her. Das war die Engländerin Kate Moss – als eine Art Gegenentwurf zum Supermodel. Klein, nicht klassisch schön, aber interessant, nicht hochprofessionell, dafür sensibel. Aber wie in so vielen Märchen werden auch hier Konflikte schnell überwunden und am Ende siegt die Freundschaft: Die Supermodels nehmen das komische Mädchen aus England in ihre Riege auf und machen sie zu ihrer Nachfolgerin.
Ikonen der modernen Frau
Auch Kleidung spielt in der Geschichte eine wichtige Rolle. Die berühmtesten Bilder der vier stammen von dem deutschen Fotografen Peter Lindbergh. Er fotografierte sie in Jeans und weißen T-Shirts und veränderte die Modefotografie der Neunziger. Aber auch wenn die Supermodels barfuß, mit verschmiertem Make-up und frierend am Strand zu Ikonen der modernen Frau wurden, steckten die meisten Designer sie weiterhin in große Roben, Kostüme mit Goldknöpfen, oder Paillettenoveralls. Grunge, der mit den neunziger Jahren kam, also zerfetzte Jeans, große Wollpullover und Karohemden, das passte nicht mehr zu den Supermodels.

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Ähnlich wie im Fußball, wo das Ende der Karriere immer schon irgendwie mitgedacht wird, weil die Vergänglichkeit vor allem für die Zuschauenden so reizvoll ist, so schwingt auch in den vier Folgen von „The Super Models“ stets die Frage mit, was nach der Zurschaustellung der Schönheit kommt. Spätestens hier wird die Serie zur Heldinnengeschichte. Denn die vier sind nicht verschwunden, sie modeln einfach weiter.
Vor allem Linda Evangelista merkt man an, wie überlebenswichtig die Identität als Model für sie ist. Da mutet es besonders tragisch an, dass sie sich nach einer verpatzten Schönheitsbehandlung lange versteckte, nur für Arztbesuche das Haus verließ. Naomi Campbell, deren Gesicht heute wie ein gemeißeltes Abbild ihres jugendlichen Ichs aussieht – keine Falte, keine Mimik – ist wie für alle Ewigkeit eingefroren. Christy Turlington dagegen scheint mit ihren vielen Lachfalten in der Gegenwart angekommen.
Düstere Kapitel in der Modegeschichte deutet die Serie nur an, zum Beispiel, dass junge Frauen in der Branche nur allzu leicht von mächtigen Männern missbraucht werden konnten. Linda Evangelista war mit einem von ihnen verheiratet: Gérald Marie, dem ehemaligen Europa-Chef der Modelagentur Elite. Ihm wird vorgeworfen, diverse Frauen vergewaltigt und belästigt zu haben.
Das Serienmärchen hat selbstverständlich ein Happy End. Als Naomi, Christy, Linda und Cindy der Kamera entgegenlaufen, wie damals auf dem Laufsteg bei Gianni Versace, sind sie alle geläutert. Naomi Campbell, einst alkoholkrank und aggressiv, hat sich zu einer politisch engagierten Unterstützerin von Minderheiten gewandelt, Linda Evangelista modelt wieder und erntet Respekt, Christy Turlington ruht in sich selbst und tut Gutes und Cindy Crawford ist heute nicht nur ihre eigene, sehr erfolgreiche Marke, sondern auch die Mutter von Kaia. Die sieht ihr zum Verwechseln ähnlich und ist ebenfalls Model. Für Cindy Crawford scheint sich so ein Kreis zu schließen: „Inzwischen bekomme ich mehr Follower, wenn ich mich als Kaias Mutter bei Instagram anmelde.“
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