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Landungsbrücken Hamburg.

© IMAGO/Hoch Zwei Stock/Angerer

Architektur und Klatsch: Orte zum Zusammenkommen schaffen

Arbeitsplätze neu denken, Altes hinter sich lassen – ganz gleich, wie wir in Zukunft arbeiten werden, eines bleibt sicher: der Tratsch auf dem Büroflur.

Nikolaus Bernau
Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

Stand:

Kommunikation ist alles, auch im Büroleben. Keine Neuigkeit, vor allem nicht für diejenigen, die einen wesentlichen Teil ihres Lebens am Schreibtisch, in Konferenzräumen oder jenen beengten „Kommunikationszellen“ und mit Filz verkleideten Sofaecken verbringen, die aktuelle Büroausstattermode sind. Dennoch scheint es, als müsse jede Generation von Planenden die Bedeutung der Kommunikation neu für sich entdecken. Und sei es nur deswegen, weil so viel vergessen wird.

Da ist etwa jener Bau, der nach langer, intensiv in den Fachmedien begleiteter Vorplanung 1993 am Hamburger Hafen eröffnete. Der Medienkonzert Gruner & Jahr hatte die Architekten Steidle & Partner und Kiessler & Partner beauftragt, sein neues Hauptquartier mit hunderten von Büros zu entwickeln.

Der Bau wurde nicht nur durch die an die handfest proletarische Geschichte des Hafens und seiner Kräne erinnernde, schräg abgestützte Architektur berühmt. Fast noch mehr faszinierte damals das radikal auf das Zusammenkommen angelegte Innere, mit weiten Räumen, Treppenhäuser mit kleinen Balkons, breiten Fluren und vielen halboffenen Büros.

Es war eine Sensation, dass Klatsch und Tratsch – der nach Meinung so vieler fanatisch die Arbeitszeit normierender Planer überflüssig ist – als Notwendig für den Erfolg der Büroarbeit erklärt wurde. Im Rückblick eine Architektur der 68er, der Selbstbefreiung der Arbeitenden. Und vielleicht auch deswegen eine Architektur, die in den neoliberalen 1990ern schnell vergessen wurde, als nur noch Shareholdervalue zu zählen schien.

Jetzt, nachdem solche Top-Down-Führerschaft ihr Scheitern in diversen Bankenkrisen erlebte, auch durchaus als Teil der Ursachen für die Klimakrise mit erkannt werden kann, wo das Soziale als Teil des Erfolgs von Firmenmodellen neu entdeckt wird – und sei es nur des Fachkräftemangels wegen – wird auch klar: Das direkte Zusammensein mit Kollegen lässt sich nicht digital ersetzen.

Wir werden sicher in Zukunft anders arbeiten, aber immer noch auch physisch zusammenkommen müssen, um neue Projekte, neue Ideen zu debattieren, alte Ideen wieder entdecken zu können.

Und so wie Bibliotheken, denen Digitalisierungs-Freaks um 2000 auch schon einmal das Sterben vorher sagten, eine atemberaubende Renaissance als Lebensraum gerade bei Jüngeren erleben, werden auch Arbeitsplätze künftig vor allem danach beurteilt werden, ob sie Klatsch und Tratsch erlauben.

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