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Marco Goecke, Ballettdirektor der Staatsoper Hannover.

© dpa / Christophe Gateau

Attacke mit Hundekot: Ein Künstler rächt sich für einen Verriss

Ein Choreograf ärgert sich über eine Rezension und beschmiert die Kritikerin mit Hundekot. Die Sitten werden härter.

Ein Kommentar von Rüdiger Schaper

Als der bekannte Choreograf Marco Goecke kürzlich in Den Haag sein neues Stück „In the Dutch Mountains“ zur Premiere brachte, hat sich die Kritikerin der „FAZ“ nicht amüsiert. Wiebke Hüster urteilte: „Man wird beim Zuschauen abwechselnd irre und von Langeweile umgebracht.“ Und legte noch drauf, der Abend sei „eine Blamage und eine Frechheit, und beides muss man dem Choreografen umso mehr anlasten, als Virtuosität und Präsenz der Tänzer des Nederlands Dans Theater nach mehr verlangen.“

Anzeige wegen Körperverletzung

Am vergangenen Wochenende trafen Künstler und Rezensentin wieder aufeinander. Diesmal im Opernhaus Hannover, diesmal direkt. Nach einem Wortwechsel im Foyer – es soll auch um den holländischen Verriss gegangen sein – beschmierte Goecke ihr Gesicht mit Hundekot. Goecke hat einen Dackel, laut einem Interview sein „bester Freund“. Daher wohl der Hundekotbeutel in der Tasche. Hüster hat Anzeige wegen Körperverletzung und Beleidigung erstattet. Die Polizei ermittelt. Das Theater hat sich ausgiebig entschuldigt, prüft arbeitsrechtliche Schritte und hat Goecke Hausverbot erteilt. Er ist fürs Erste suspendiert.

Eine alte Feindschaft

Künstler und Kritiker, die lieben sich nicht so. Der Komponist Max Reger soll einem Rezensenten geschrieben haben: „Ich sitze im kleinsten Raum des Hauses. Ich habe Ihre Kritik vor mir. Bald werde ich sie hinter mir haben.“ Was von einem guten, gesunden Humor zeugt. George Bernard Shaw wird der Satz zugeschrieben: „Kritiker sind blutrünstige Leute, die es nicht bis zum Henker geschafft haben.“ Shaw kannte sich aus. Er arbeitete eine Zeit lang als Musikkritiker.

Nun liest sich der Hüster-Verriss gar nicht so außergewöhnlich schlimm. Goeckes Überreaktion ist allerdings überaus eklig, geht weit über verbale Attacken hinaus, die häufiger vorkommen im Kunstbetrieb. Der Aussetzer schadet auch ihm selbst, das wird an ihm kleben. Da ist eine neue Stufe erreicht. Doch das ist ebenso klar: Kritiken können verletzen. Kritiker haben Einfluss. Sie haben es mit sensiblen Naturen zu tun, mit Diven und großen Egos, gelegentlich mit genialen Begabungen. Faire Kritik ist schwer und oft nicht sehr unterhaltsam.

Ein wütender Schauspieler schüttete mir einmal ein Glas Wein über den Kopf. Weißwein, immerhin. Ich würde sagen, Berufsrisiko. Zwanzig Jahre später hat er sich entschuldigt und wir führten in der Theaterkantine ein langes, freundliches Gespräch.

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