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Kultur: Augsburger Pimperkiste

Wittenbrinks Brecht-Abend am Berliner Ensemble

Sogar der Bühnenboden wölbt sich lüstern gen Himmel. Wie der Hintern der Geliebten, den Bert Brecht in „Sauna und Beischlaf“ besingt. „Die Farbe Rot“ heißt der neueste Streich von Franz Wittenbrink – und damit können nur die glühenden Ohren der Zuhörer im Dunkel des Zuschauerraums gemeint sein. Es geht heftig-deftig zu im Berliner Ensemble, nicht der politische Brecht steht hier im Mittelpunkt, sondern der Macho, der Frauenheld, der aus Augsburg: Nur keine Noblesse, immer ran an die Mätresse.

Es ist ein gefährliches Parkett, auf das Ausstatterin Maria-Elena Amos die Darsteller schickt: In der Hitze der Nacht hat das Fischgrät-Holzgeflecht Wellen geschlagen und ist nun, am Morgen danach, erkaltet. Ein Ort des ständigen Auf und Ab, bevölkert von fünf Frauen und dem doppelten B.B.: Alexander Doering und Burghart Klaußner teilen sich die Rolle des frechen Dichters und wilden Rammlers, bei dem jedes Beziehungsgespräch zum Monolog wird. Und zwar zu ihrem Monolog. Carmen-Maja Antoni singt inbrünstig von too much love, Therese Affolter sucht mit sehnsuchtsvollen Augen den Horizont ab, bis sie explodiert, sich die wunde Seele aus dem Leib schreit. Überhaupt wird gut gesungen: Da ist der scharfe Chansonettenklang von Sabrina Ascacibar, der unschuldige Volksliedton von Gitte Reppin, da lockt Uta Köbernick mit kindlichen Koloraturen und Geigenspiel.

„Zigarren“ hieß Wittenbrinks erste Arbeit für das BE, und Zigarren spielen, natürlich, auch diesmal eine Rolle, ebenso wie Sekretärinnen. Während die eine ihm das Rauchzeug besorgt, besorgt er es schon der zweiten. Und nebenan tippt die dritte derweil seine Manuskripte ab. Wäre da nicht diese wundersam schwebende Stimmung, das Markenzeichen aller gelungenen Wittenbrink’schen Gesellschaftsabende, man würde wohl etwas murren über das frech vereinfachte Brecht-Bild. Doch die klingende Collage ist wieder ganz großartig gelungen, Wittenbrink mixt Mozart, Johnny Cash und Ralph Maria Siegel mit Selbstkomponiertem. Die besten Melodien von Kurt Weill kommen auch vor, aber mit urkomischem V-Effekt, nämlich mit neuen Brecht-Texten unterlegt. Ja, und dann ist da noch der Hit der Gruppe „Wir sind Helden“, sanft korrigiert: „Sie haben dir ein Denkmal gebaut, und jeder Vollidiot weiß, dass das die Wahrheit versaut“. Könnte glatt von Brecht sein.

Wieder am 23. und 30. Mai, am 3. sowie vom 20. – 23. Juni und am 1. Juli.

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