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Kultur: Außerirdisch

Fotograf, Werber, Popstar: zum Tod von Charles Wilp

Bei seinen Auftritten zeigte er sich in den letzten Jahren grundsätzlich in einem hellblauen Overall der US-Raumfahrtbehörde Nasa: Charles Wilp war eine Erscheinung wie von einem anderen Stern. Angefangen hatte er als Fotograf, bekannt geworden war er als Werber, am Ende nannte er sich selber ARTronaut. Er ließ sich in einem für das Astronautentraining umgebauten Großraumjet in die Schwerelosigkeit versetzen und brachte daraus Fotos mit, die an Michelangelos Engel aus der Sixtinischen Kapelle erinnern sollten. Aus Schrottteilen der abgestürzten Ariane-Rakete setzte er Skulpturen zusammen. „Die Schwerelosigkeit“, hatte er erkannt, „ist die Triebkraft alles Kreativen“.

Wilp wurde 1932 in Berlin geboren, wuchs in Witten auf und studierte in Aachen Kunst und Wirkungspsychologie. Sein Interesse für das Außerirdische wurde angeblich schon im Mutterleib geweckt, als seine Mutter, eine Pianistin, Fritz Langs Stummfilm „Die Frau im Mond“ begleitete. Ein Adenauer-Foto, das er während seines Studiums an den „Spiegel“ verkaufte, verschaffte ihm einen Job bei der Düsseldorfer Werbeagentur Team. 1957 ersann Wilp einen Slogan, der zur Redewendung wurde: „Wodka macht hart. Puschkin macht härter.“ 1963 setzte er Bilder von einem in ein graues Nichts hineinfahrenden Käfer auf ein Plakat und schrieb darunter: „Der VW läuft ... und läuft ... und läuft.“ Endgültig Werbegeschichte machte er 1967 mit seiner Kampagne für Afri-Cola. Zum Trinkspruch „sexy-mini-super-flower-pop-op – alles ist drin“ prosteten Nonnen, Hippies und Vietcong-Kämpfer dem Betrachter zu. Der Umsatz der Limonade stieg um 34 Prozent.

Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs zog sich der Werbe-Guru aus der Branche zurück. „Es gab kein Produkt mehr für mich.“ Mit seinem Freund Joseph Beuys nahm er an der Documenta 5 teil, später sprengte er aus Protest gegen die Umweltverschmutzung seinen Sportwagen „Weiße Orchidee“ in die Luft. Berlin war seine Lieblingsgroßstadt, „weil sie den höchsten Anteil an niederfrequenten elektrischen Strömungen hat, was den Wahnsinn fördert“. Am Sonntag ist Charles Wilp 72-jährig in Düsseldorf gestorben.

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