zum Hauptinhalt
„Hier können Familien Kaffee kochen“ von Hans Baluschek (1895).

©  Bröhan-Museum

Ausstellung im Bröhan-Museum: Helle Welt und dunkler Kaffee

Eine quicklebendige Ausstellung: Das Berliner Bröhan-Museum für Jugendstil ehrt die Malerfreunde Martin Brandenburg und Hans Baluschek.

Mit wehendem Haar segelt die nackte Frau über die karge Berglandschaft. Ihr Fuß streift das trockene Geäst des Dornbuschs. Mit einer Hand stößt sie sich durch die Lüfte. 1899 hat Martin Brandenburg „Die Windsbraut“ als stürmische Schönheit gemalt, die das Land auszehrt. Das Bild wurde jüngst dem Bröhan-Museum geschenkt. Jetzt bedankt sich das Haus mit einer anregenden Ausstellung über den weitgehend unbekannten Martin Brandenburg und seinen Künstlerfreund Hans Baluschek.

Beide wurden fast am gleichen Tag geboren, Brandenburg am 8. Mai 1870, Baluschek am 9. Mai. Der eine in Posen, der andere in Breslau. Beide begannen 1889 ihr Studium an der Königlichen Akademie der Künste in Berlin, lernten sich im ersten Semester kennen, begehrten auf gegen die konventionellen Vorstellungen von Akademiedirektor Anton von Werner. Sie verehrten die gleiche Frau, stellten dreimal gemeinsam im Kunstsalon Fritz Gurlitt aus und traten beide der Berliner Secession bei. Selbst auf den Fotos sehen sie mit ihren dunklen Schnurrbärten aus wie Zwillinge.

Ausstellung führt Unterschiede vor Augen

In der Gegenüberstellung ihrer Bilder führt die meinungsstarke Ausstellung allerdings die Unterschiede vor Augen. Baluschek, der Sozialdemokrat, sucht die harte, graue Berliner Realität und überzeichnet sie manchmal bis hin zur Karikatur. „Hier können Familien Kaffee kochen“, so heißt eine Szene von 1895, die Baluschek in einer Pankower Kolonie beobachtet. Weil dort der Ausschank von Kaffee an eine Konzession gebunden war, stellten Gartenwirte ihren Gästen heißes Wasser zum Selberkochen zur Verfügung. Die Gesichter der Frauen versinken fast hinter den übergroßen, weißen Kannen. Hans Baluschek malt flächig, seine Figuren erstarren wie zu einem Foto, er baut sich Begrenzungen wie Bühnenräume.

Martin Brandenburg interessiert sich für die Bewegung, für das Luftige, Rauschhafte des Symbolismus. Seine Farben wirken esoterisch. Er kombiniert pastosen Farbauftrag mit Flächen, an denen die Leinwand fast frei liegt, und baut Reliefs in Öl. Eine ganz eigene, verträumte Handschrift beweisen die Pastellbilder. Mit filigranen Strichen zeichnet Martin Brandenburg den Verlauf des Lichts am Himmel als wilden Ritt auf weißem Pferd.

Die meisten Bilder von Brandenburg sind verschollen

Folgt man der These des Kurators Fabian Reifferscheidt, dann trennt die Künstler vor allem ihre politische Überzeugung. Das große Gemälde „Die Frohe Botschaft“ von Martin Brandenburg deutet der Kurator als eine Szene des Volkszorns. Tatsächlich erinnert die Menschenmenge, die den leuchtenden Engeln folgt, einem Mob beim Veitstanz. Das Buch von Gustave Le Bon „Psychologie der Massen“ von 1895 soll das Werk beeinflusst haben. Dann wäre „Die Frohe Botschaft“ zu lesen als Warnung vor den Verblendungen der sozialistischen Ideologie. Allerdings fehlt das letzte Bindeglied, das belegt, dass der Künstler das Buch des französischen Arztes in seinem Bild tatsächlich gemeint hat.

In der Konsequenz verwundert, dass sich Martin Brandenburg ebenso wie sein Freund Hans Baluschek im Ersten Weltkrieg freiwillig an die Front meldete. Brandenburg verlor durch einen Kopfschuss das linke Auge und starb 1918 an den Folgen einer Operation. Im Zweiten Weltkrieg versuchte die Witwe sein Werk in Sicherheit zu bringen. Aber die meisten Bilder gelten als verschollen. Das Museum hofft nun, mit dieser quicklebendigen Ausstellung weitere Gemälde des sperrigen Symbolisten zu finden. Dann könnte sich das Puzzle zu einem vollständigen Bild fügen.
„Martin Brandenburg und Hans Baluschek – eine Künstlerfreundschaft“; bis 8. Januar, Bröhan-Museum, Schloßstraße 1 a, täglich außer Montag, 10–18 Uhr

Zur Startseite