zum Hauptinhalt
Wort und Bild. Ein Gedicht von John Berger und ein Werk von Liane Birnberg.

© Jürgen Baumann / JDZB

Ausstellung von Liane Birnberg: Schrift von ihrer Semantik befreien

Luftige, ätherische und zugleich kondensierte Bilder. Die Künstlerin Liane Birnberg zeigt im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin neue Werke.

Von Weitem erinnert die Zeichnung an zarte, im Wind wogende Gräser. Man meint, ihr feines Rascheln zu hören. Aus der Nähe betrachtet, löst sich jede vermeintliche Figuration auf, entschwindet das Motiv fast. Es sind gedämpfte und zurückhaltende Kompositionen von lyrischer Qualität. Im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin (jdzb) zeigt Liane Birnberg rund 30 Arbeiten. Gedichte und bisher unveröffentlichte Briefe und Zeichnungen des britischen Schriftstellers John Berger ergänzen die Ausstellung. Die beiden verband eine tiefe Freundschaft, aus der zahllose Gedichte hervorgingen; so „words from a foreign language“, das der Ausstellung den Namen gibt.

Sprache spielt eine wichtige Rolle in Liane Birnbergs Werk. Sie befreit die Schrift jedoch von ihrer Semantik und reduziert sie auf ihre grafische Präsenz, reibt Textpassagen aus Zeitungen und Büchern auf hauchdünnes Papier, bis die Buchstaben kaum noch zu erkennen sind. Birnberg bezeichnet sich als Alchemistin, mit Tee, Kohle, Tusche, Farbstiften und Schellack schafft sie filigrane Werke auf Papier, das sie mit Feuer versengt, zerknittert und wieder glättet. Die fertigen Arbeiten lassen das Ausgangsmaterial oft nur noch erahnen. Ähnlich, wie die Alchemisten mehr zufällig das europäische Porzellan erfanden, sind auch Birnbergs Arbeiten nicht vorhersehbar. Sie kratzt, wischt, löscht und reduziert die Formen bis zu ihrer Auflösung. Vereinzelt schraffiert sie und legt fragile Strukturen an. Mit Farbe geht sie sehr sparsam um, reibt sie ab oder gewinnt sie aus anderen Farbdrucken. Viele Arbeiten wirken durchsichtig bis auf den Grund.

Aus nächster Nähe entfalten die Werke ihre Magie

Die Reduktion von Form und Farbe passt gut in die schmucklosen Räume des Zentrums. „Wir wollen eine Begegnungsstätte zwischen Japan und der Welt sein“, sagt die Leiterin der Kulturabteilung Akiko Kawauchi. Das Programm umfasst wissenschaftliche Tagungen wie kulturelle Veranstaltungen. Früher habe die Wissenschaft im Zentrum gestanden, aber mit den Jahren sei Kultur immer wichtiger geworden. Vier Ausstellungen gibt es jedes Jahr, oft werden Künstlerduos eingeladen, etwa deutsche Künstler und Künstlerinnen, die in Japan arbeiten – und umgekehrt. Hinter der Einrichtung steht eine gemeinnützige Stiftung. Aus diesem Grund werden Birnbergs Arbeiten hier nicht verkauft, sondern über ihre Galerie Florian Sundheimer aus München.

Die Werke sollten möglichst aus der Nähe betrachtet werden. Dann entfalten sie ihre Magie, verströmen eine zarte Kraft wie der Schmetterling in einem von Bergers Gedichten. Der setzt eine Kettenreaktion in Gang, indem er ein Korn bewegt, das ein anderes anschiebt. Staub wird aufgewirbelt. Der Tag beginnt: „The sky spills its blue milk on the stones that have concieved. A day is born.“ Ein neuer Tag entsteht wie zufällig aus zunächst unscheinbaren Elementen – ähnlich wie die Werke von Liane Birnberg. Luftige, ätherische und zugleich kondensierte Bilder. Ohne Drama, ohne Event. Intensiv sind sie trotzdem.

Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin, Saargemünder Str. 2; bis 31. 1., Mo–Do 10–17 Uhr, Fr 10–15 Uhr (Eintritt frei)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false