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Die Leipziger Buchmesse startet erstmals unter neuer Leitung.

© picture alliance/dpa/Hendrik Schmidt/Bearbeitung Tagesspiegel

Beim Publikum beliebt, wirtschaftlich prekär: Hat die Leipziger Buchmesse eine Zukunft?

In dieser Woche startet der erste Branchentreff unter neuer Leitung. Kann sich die Traditionsveranstaltung gegen Konkurrenz und Digitalisierung behaupten? Wir haben drei Experten befragt

Fast 20 Jahre lang war Oliver Zille Direktor der Leipziger Buchmesse. Nun muss sich die traditionsreiche Ausstellung unter Astrid Böhmisch neu orientieren und ausrichten. Die Verlagsbranche steht dabei unter großem Druck. Wir haben drei Experten nach ihrer Einschätzung gefragt, wie die Zukunft der Buchmesse aussehen kann.

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Mehr Lust aufs Lesen ist nirgends zu finden

Das hängt vor allem von den großen Verlagen ab. Ohne sie wird die Leipziger Messe in dieser Form nicht zu halten sein. Es wäre ein fatales Signal gegenüber der traditionsreichen Buchstadt und gegenüber dem Osten Deutschlands. 

Die Pop-up-Messe 2022 hat gezeigt: Vor allem die Programmverlage brauchen den Kontakt zum Publikum. Wo Frankfurt vielen zu teuer ist und zu sehr vom internationalen Geschäft getrieben, kann Leipzig profitieren: Neugierige Leser können hier Kleinstverlage kennenlernen, die im Handel kaum zu finden sind. Nicht wenige Buchhändler unternehmen Reisen mit ihren Kunden zur Messe. 

Und „Leipzig liest“ ist mit seinen mehr als 2500 Veranstaltungen eine gigantische Kennenlern-Börse: Man kann ganz nahe an Autoren herankommen, man trifft sie in Galerien, Läden, Wohnzimmern, Lofts. Die 18-Jährigen können übrigens mit dem Kulturpass ihr Messeticket kaufen.

Ein lebendigerer Austausch, mehr Lust aufs Lesen ist nirgends zu finden – ich wünsche mir sehr, dass das Erhalten bleibt.


Das Tor zu den Kulturen Osteuropas

Mit unserer seit 1990 bestehenden Verlagsbuchhandlung sind wir der Leipziger Buchmesse eng verbunden. Wir gingen mit ihr durch eine turbulente Geschichte.

In den 90er Jahren wurde mit Unterstützung der Bertelsmann-Stiftung das großartige Lesefest „Leipzig liest“ ins Leben gerufen und – nicht zuletzt durch Messedirektor Oliver Zille – das Tor zu den Kulturen Osteuropas geöffnet. Es entstand auch eine große Bühne für unabhängige Verlage. Auch diesem inhaltlichen Engagement hat es die Buchmesse zu verdanken, dass sie internationale Anerkennung fand.

Jetzt wird von vielen Verlagen eine Neuausrichtung befürchtet.

Peter Hinke

Jetzt, mit dem Ausscheiden Oliver Zilles, wird von vielen Verlagen eine Neuausrichtung der Messe befürchtet, hin zur Kommerzialisierung und zu Kostenexplosionen.

Wir hoffen sehr, dass der Buchmesse (deren Eigentümer ja der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig sind) der Spagat gelingt, kommerzielle Erfordernisse mit den Inhalten dieses Branchentreffs zu vereinbaren, dann wird diese bunte, wunderbare Messe eine Zukunft haben.


In der Buchbranche überwiegt die Skepsis

Der Neustart nach drei Jahren Corona-Pause schien gelungen zu sein. 274.000 Menschen tummelten sich vier Tage lang in den Messehallen, fast so viele wie vor der Pandemie. Der damalige Buchmessendirektor Oliver Zille sprach von einem „fulminanten Comeback“.

Dieses Jahr erwartet man dieselbe Zahl an Ausstellern und ähnlichen Publikumszuspruch, wobei letzterer von Schulklassen und der immer größer werdenden Manga-Messe wie gehabt schön frisiert wird. In der Buchbranche überwiegt die Skepsis.

Das liegt am Rücktritt von Zille und an seiner Nachfolgerin Astrid Böhmisch. Diese hat ihre Meriten zuvor primär im Marketing erworben und wird verstärkt darauf achten, dass die Messe Rendite abwirft. Mittelständische Verlage und große Publikumsverlage wiederum fragen sich intensiver denn je, ob sie sich Messeauftritte noch leisten wollen, ob sich Aufwand und Ertrag für sie selbst noch lohnen, zumal bei höher werdenden Standmieten.

Leipzig gilt als Publikumsmesse, als Ort der Begegnung. Aber reicht das in Zeiten stetiger Umsatzrückgänge?

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