Kultur: Berlinale, die fünfte
Harald Martenstein lobt Rotchina und tadelt Deutschlands Frauen Auch beim Lesen der Kritiken findet man schnell seine Lieblingsfilme, quasi platonisch. Mein platonischer Lieblingsfilm ist „Hero" von Zhang Yimou.
Harald Martenstein lobt Rotchina und tadelt Deutschlands Frauen
Auch beim Lesen der Kritiken findet man schnell seine Lieblingsfilme, quasi platonisch. Mein platonischer Lieblingsfilm ist „Hero" von Zhang Yimou. Weil ihm vorgeworfen wird, dass er Sympathien für die chinesische Diktatur weckt. Super! Ich liebe Filme, die sowas tun. Ich mag es, wenn ich mich im Kino wie Jack the Ripper fühlen darf, oder auch wie ein 13jähriges Mädchen mit Zahnspange. Deswegen geht man unter anderem ins Kino. Wegen des Perspektivwechsels. Wenn ich wissen will, wie die Welt aus der Sicht eines liberalen, langweiligen, im Grunde aber gutwilligen Kaukasiers mittleren Alters aussieht, brauche ich nicht ins Kino, das bin ich ja selber.
Kritiker, die einen Film daran messen, ob er mit ihrem Weltbild übereinstimmt, ob er also ihrer Ansicht nach „realistisch" oder „ehrlich" ist – solche Kritiker sind in ein chinesisches Volksgefängnis zu internieren. Mit hohen Geldstrafen sind Kritiker zu belegen, die einem Film formale Mängel vorwerfen und sonst nichts. Diese Kritiker sind stolz darauf, dass sie erkennen können, ob am Set das Licht stimmt. Ihr Stolz macht sie blind. Dieses Formalzeug ist natürlich wichtig, aber so mancher Film setzt sich gegen seine eigenen Mängel durch. Bei etlichen Sängern ist manchmal gerade das Gute, dass sie nicht „richtig“ singen – Hildegard Knef, Tom Waits... Mit Filmen ist es genauso.
Worauf kommt es also an? Nur darauf, ob man im Kino an die Lüge glaubt, die jeder Film für uns aufbaut.
Der Wettbewerbsbeitrag „The Hours" zum Beispiel leidet unter dem Willen zur Perfektion. Lauter bedeutende Szenen. In „The Hours" bekommt man eine schwarze Sehnsucht nach Filmen mit schlechtem Licht, die Diktaturen verherrlichen. Woran aber erkennt man, ob ein Film ein Männer- oder ein Frauenfilm ist? Frauen lieben Perfektion. Männer sind unperfekt und tragen auch im Kopf einen Bartschatten. „The Hours" ist ein klares Frauending. Was, Christina hat ihn nicht gemocht? Eine Frau, die mitdenkt!
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