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Hat den Kaffee auf: Galerist Gerd Harry Lybke.

© dapd

Abgesagte Kunst: Berliner Juroren schließen Berliner Künstler aus

Drei Berliner Galerien sind von der Jury nicht zur Kunstmesse Art Basel zugelassen. „Diese Entscheidung wurde offensichtlich nicht auf der Grundlage einer künstlerischen Beurteilung getroffen“, sagt Galerist Gerd Harry Lybke.

Kaum ein deutscher Galerist hat im letzten Jahrzehnt so viele Schlagzeilen produziert wie Gerd Harry Lybke von Eigen + Art. Nur wenige sind so erfolgreich und international anerkannt wie er: Unter dem Etikett Neue Leipziger Schule hat er eine Riege von Künstlern zur Marke gemacht und ihre Werke verkauft. Ihr prominentester Vertreter Neo Rauch wurde vergangenes Jahr mit Retrospektiven in Leipzig und München gleich doppelt geehrt, weltweit gilt er als Künstlerstar. Daneben vertritt die 1983 zu DDR-Zeiten gegründete Galerie mit Dependancen in Berlin und Leipzig weitere international bekannte Künstler: Matthias Weischer, Olaf und Carsten Nicolai, Martin Eder. Ihre Werke befinden sich in angesehenen öffentlichen und privaten Sammlungen. Seit 1991 nimmt seine Galerie an der Art Basel teil, mit sensationellen Verkaufszahlen. Dieses Mal bleibt ihr das Tor der begehrtesten Kunstmesse überraschend verschlossen.

„Aufgrund des nur begrenzt auf der Messe verfügbaren Platzes wurde Ihre Galerie leider nicht ausgewählt. Das Art Basel Komitee hat sie jedoch auf eine Warteliste gesetzt“, heißt es lapidar im Ablehnungsschreiben. Man hört die Ohrfeige aus diesen Sätzen – und wundert sich. Auch Lybke zeigt sich überrascht. Eine Begründung dafür, warum die Galerie den Ansprüchen auf einmal nicht mehr genügen soll, gab es nicht. Die Pressesprecherin der Art Basel, Maike Cruse, ließ verlautbaren: „Wir kommentieren die Auswahl der Jury grundsätzlich nicht.“ Auch die Mitglieder des Auswahlkomitees hüllen sich in Schweigen. Tim Neuger, einer der sechs Juroren und Galerist der Berliner Galerie neugerriemschneider, wehrt weitere Nachfragen ab: „Wie jede Jury unterliegen wir der Schweigepflicht und sprechen daher prinzipiell nicht über unsere Entscheidungen.“

„Diese Entscheidung wurde offensichtlich nicht auf der Grundlage einer künstlerischen Beurteilung getroffen“, konterte Lybke nun in einer Pressemitteilung und vermutet persönliche Motive. Damit liegt er auf einer Linie mit einer zweiten Verstoßenen, der langjährigen Art-Basel-Teilnehmerin Giti Nourbakhsch, die sich letzte Woche in einer offenen E-Mail an ihre Kollegen über den Filz in der Stadt beklagt. Sie äußert den Verdacht, dass ein Zusammenhang mit ihrem Rückzug aus dem Organisationskomitee des Berliner Gallery Weekends bestehe: „Mir war bei meinem Austritt deutlich bewusst, dass ich meine Präsenz in Basel gefährden würde. Es ist allgemein verbreitet, dass man sich den Juroren der Art Basel nicht widersetzt, auch wenn der Schauplatz Berlin ist ...“ Kollegen wie Christian Nagel geben ihrer Vermutung recht und sprechen davon, dass die Qualität der Galerie eine solche Entscheidung nicht rechtfertige und man der Kollegin offenbar einen „Denkzettel verpassen“ wollte. Die dritte vom Komitee in Basel ausjurierte Berliner Galerie Mehdi Chouakri will sich einstweilen nicht äußern.

Doch was hat Basel mit Berlin zu tun? Aktuell kommen gleich drei der sechs Mitglieder der diesjährigen Jury aus Berlin – eine offensichtliche Überpräsenz: Neben der Züricher Galeristin Eva Presenhuber, David Juda aus London und Xavier Hufkens aus Brüssel sind Tim Neuger von neugerriemschneider, Claes Nordenhake aus Stockholm, der das Galerienhaus in der Lindenstraße gegründet hat, und Jochen Meyer von der Galerie Meyer Riegger, die neben dem Stammsitz in Karlsruhe ebenfalls eine Dependance in Berlin besitzt, für den Ausschluss der Berliner Kollegen verantwortlich. Alle drei Juroren aus Berlin agieren außerdem als Gesellschafter des Gallery Weekend – der mittlerweile mächtigsten Allianz in der Berliner Kunstszene – und Teilnehmer der Art Basel. Angesichts solcher Überschneidungen darf man selbst bei besten Argumenten für die Juryentscheidung mutmaßen, dass es zu Interessenkonflikten kommen kann und Berliner Machtspiele um den umkämpften Markt nach Basel getragen werden könnten. Und die Messe muss sich fragen lassen, weshalb sie ihre Integrität zumindest aufs Spiel setzt, weil derart viele Berliner Gesichter in der Jury solche Gedankenspiele zulassen.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Schon erhält Lybke Schützenhilfe von mächtigen Kollegen aus dem Ausland: David Zwirner etwa, der Neo Rauch in New York als Zweitgalerie vertritt, will keine Werke des Künstlers zeigen, sollte Eigen + Art nicht nachrücken.

Angela Hohmann

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