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Francois-Xavier Roth in der Philharmonie am 13.9.2018

© Stephan Rabold

Berliner Philharmoniker: Bewegte Bilder

Bei ihrem zweiten "Musikfest"-Auftritt mixen die Berliner Philharmoniker und der Dirigent Francois-Xavier Roth Musik von Debussy und Ligeti

Die Frage, worin genau eigentlich Mut besteht, muss immer wieder neu beantwortet werden. Das gilt für Zivilcourage ebenso wie für die Gestaltung eines Festivals. Wenn im Saal Plätze frei bleiben, wird dafür gerne ein zu anspruchsvolles Programm verantwortlich gemacht. Wobei das Seltengehörte automatisch anstrengender bewertet wird als das Wiederhören von einem Klassiker.

Wer Bernd Alois Zimmermann aber die Schuld dafür geben will, dass das Musikfest nicht wirklich festlich besucht ist, der irrt. Die Werke des Komponisten, der dieses Jahr 100 geworden wäre, erreichen ohne größere Widerstände Ohr und Herz. Das gilt auch für das Konzert für Violine und großes Orchester, das Carolin Widmann mit Hingabe mit den Berliner Philharmonikern unter Leitung von François-Xavier Roth aufführt. Beschwörung vertrauter Konzertgesten und jähe Abstürze, gewaltiger Auftrieb und gespenstische Echos – Zimmermanns Nachkriegsklangwelt ist uns erstaunlich nah.

Auf dem Papier sieht das Programm interessant aus

Widmanns solistische Dringlichkeit, ihren körperhaften Klang teilt der Dirigent jedoch nicht in vollem Umfang. François-Xavier Roth, Generalmusikdirektor in Zimmermanns Geburtsstadt Köln, betrachtet die Kollision von „Dies Irae“-Rufen und Rumba lieber vom Beckenrand aus. Noch schmerzlicher vermisst man eine das Werk durchglühende Gegenwart bei Igor Strawinskys kühlen „Symphonies d'instruments à vent“, deren geistiges Feuer in der Philharmonie einfach nicht aufscheinen will.

Der zweite Teil des Abends sieht auf dem Programmheftpapier ganz nach couragiertem Kuratieren aus. Da werden zwischen die Sätze von Debussys „Images pour Orchestre“ Ligetis mikropolyphone Meisterwerke „Lontano“ und „Atmosphères“ geschoben. Es entstehen dabei aber keinerlei Abbruchkanten, weil die „Images“ nicht wie eine Symphonie aufeinander bezogen sind und oft genug einzeln gespielt werden. Rein dramaturgisch wäre es mutiger gewesen, auf den rauschenden Höhepunkt von Debussys „Ibéria“ einen Ligeti folgen zu lassen, als elementares, seine Fremdheit behauptendes, herausforderndes Klangkontinuum, das sich durch Raffinesse nicht zähmen lässt. Allerdings hätte der Applaus dann vielleicht langsamer eingesetzt. Doch diese Gedankenspiele finden ihre Grenzen in dem, was ein Dirigent glaubhaft vermitteln kann, und hier bleibt François-Xavier Roth hörbar hinter seinem Konzept zurück. Sein Musizieren schafft nicht den nötigen Raum, um Musik als sinnliche Erfahrung zu feiern. Das ist bei Werken ein echtes Manko, die derart sensualistischer Natur sind wie bei Debussy und Ligeti. Und ja: Es wirkt auch irgendwie mutlos.

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