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Santtu-Matias Rouvali wurde 1985 im finnischen Lahti geboren

© Monika Rittershaus

Berliner Philharmoniker: Genießt den Augenblick!

Santtu-Matias Rouvali dirigiert Prokofjew bei den Berliner Philharmonikern, Vikingur Olafsson beeindruckt mit dem 3. Klavierkonzert von John Adams.

Von Frederik Hanssen

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Im Trio der fantastischen Finnen ist er der Älteste: Santtu-Matias Rouvali wurde 1985 geboren, Klaus Mäkelä, der mittlere, 1996, und Tarmo Peltokoski ist erst 22 Jahre jung. Alle drei haben sie in Helsinki an der Sibelius Akademie studiert, unter anderem beim legendären Maestromacher Jorma Panula. Gemessen an der Einwohnerzahl kann derzeit wohl kein Land der Erde mehr Shootingstar-Dirigenten vorweisen als Finnland. Und in allen anderen Klassik-Genres sieht es dort ebenfalls beeindruckend aus. Nicht nur die Schulbildung, auch die Hochbegabtenförderung ist im hohen Norden einfach beneidenswert gut organisiert.

Santtu-Matias Rouvali – Chefdirigent beim Philharmonia Orchestra London und bei den Göteborger Symphonikern – war der erste aus dem Trio, den die Berliner Philharmoniker eingeladen haben. Klaus Mäkelä – Chefdirigent des Concertgebouworkest Amsterdam, des Oslo Philharmonic und des Orchestre de Paris - ist im April 2023 dran, nachdem er im Herbst beim „Musikfest Berlin“ bereits ein umjubeltes Saal-Debüt mit seinen Amsterdamern absolviert hat.

Für Rouvali ist es bereits die zweite Einladung

Und auch Tarmo Peltokoski – Leiter des Lettenischen Nationalorchesters und designierter Musikchef im südfranzösischen Toulouse – dürfte bereits unter Philharmoniker-Beobachtung stehen. Am Gendarmenmarkt hat er erst vor wenigen seine Visitenkarte abgegeben und dabei das Konzerthausorchester mit seiner überbordenden Musikalität förmlich verzaubert.

Rouvalis Debüt bei den Berliner Philharmonikern fand bereits im September 2019 statt – dass sie ihm nun erneut ein Gastdirigat angeboten haben, ist der wahre Ritterschlag. Denn bei so manchem viel versprechenden Newcomer hat das Spitzenorchester nach dem Erstkontrakt schon auf eine weitere Vertiefung des Kennenlernens verzichtet.

Ebenso eleganter wie effizienter Dirigierstil

Mit Sergej Prokofjews 5. Sinfonie hat Rouvali ein Werk ausgewählt, bei dem er zeigen kann, wo seine Stärken liegen: Da ist zum einen der ebenso elegante wie effiziente Dirigierstil und zum anderen die Fähigkeit, den Moment zu feiern, dem Publikum das Erlebnis des Live-Konzerts als etwas Einmaliges, Berauschendes zu vermitteln. Dieses „Hier und Jetzt“-Momentum wird am Mittwoch wirklich körperlich spürbar: Lebensfreude liegt in der Luft, die Steigerungen des Eröffnungssatzes weiß der Dirigent so effektsicher auszureizen, dass danach spontaner Applaus aufbrandet.

Die Fünfte von Prokofjews ist kein doppelbödiges Stück, hier zeigt sich vor allem die Handwerkskunst eines erfahrenen Tonsetzers. Dabei hat er schöne Stellen für alle Orchestergruppen zu bieten, und die Philharmoniker lassen sich gerne von Santtu-Matias Rouvali mitreißen bei dieser Feier der Wohlklangs.

Pianist Vikingur Olafsson ist maximal gefordert

Überraschender, aufregender ist allerdings das andere Hauptwerk des Abends, das dritte Klavierkonzert von John Adams, uraufgeführt 2019, mit dem lustigen Titel „Must the Devil Have All the Good Tunes“, der einem Bonmot von Martin Luther entlehnt ist: „Der Teufel braucht nicht alle schönen Melodien für sich alleine besitzen.“

Witzigerweise kommt beim amerikanischen Minimal Music-Komponisten dann aber kaum Melodisches vor. Adams setzt vor allem auf Beats, aufs Perkussive, auf tönende Tektonik. Das ist rhythmisch alles andere als trivial, gerade für ein Orchester wie die Philharmoniker, das aufs spätromantische Repertoire spezialisiert ist. Mit seiner souveränen Schlagtechnik und einer klaren Zeichengebung koordiniert Rouvali das Geschehen, gibt auch dem Solisten Vikingur Olafsson Rückhalt.

Der ist als Tastenvirtuose maximal gefordert, darf die Finger 30 Minuten lang kaum von den Tasten nehmen. Und vermag nach dieser Tour de Force dennoch eine Zugabe zu geben - den langsamen Satz aus einer Orgelsonate von Johann Sebastian Bach -, die so fein gearbeitet ist, so innig dargeboten und so raffiniert ausdifferenziert, dass der Jubel kaum ein Ende findet.

Vikingur Olafsson ist kein Finne, sondern Isländer. Fantastisch ist er aber ebenfalls.

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