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Kultur: Berliner Philharmoniker: Und dann die Stille nach dem Schluss

Es gibt Werke, bei denen ist die Pause zwischen dem letzten Akkord und dem Applaus mitkomponiert. Bruckners achte Sinfonie braucht die stummen Sekunden der Erschütterung als Reaktion auf ein maßloses Meisterwerk.

Es gibt Werke, bei denen ist die Pause zwischen dem letzten Akkord und dem Applaus mitkomponiert. Bruckners achte Sinfonie braucht die stummen Sekunden der Erschütterung als Reaktion auf ein maßloses Meisterwerk. Am Sonnabend waren in der Philharmonie nach dem Weltenbrand des Finales Erregung, Herzklopfen, Ratlosigkeit, Erschöpfung in der knisternden Stille vor dem Jubel zu spüren. Günter Wand, dem größten Alten unter den Weltklassedirigenten, dem 88-Jährigen, war mit dem Berliner Philharmonischen Orchester eine grandiose Aufführung gelungen.

"Ich bin geneigt anzunehmen, dass in den Jahren der Isolation Ihr Sinn für Schönheit und Ebenmaß und Wohlklang sich einigermaßen getrübt habe", schrieb der Dirigent Hermann Levi im Oktober 1887 an Bruckner - und erklärt sich außerstande, die achte Sinfonie zu dirigieren. Dass die Uraufführung fünf Jahre später zum Triumph für den Komponisten wurde, überraschte alle, die das Werk kannten. Denn eigentlich war die Welt noch nicht reif für ein Werk, das alles Vertraute in Frage stellt. Wo Mahler reflektiert und Strauss kokettiert, stößt Bruckner, der Getriebene, der Heimatlose zwischen Himmel und Erde, die Hörer vor den Kopf. Er konnte nicht anders schreiben. Die enigmatischen Sinfonien wucherten ihm aus dem Hirn, alle nachträglichen Glättungen seiner Partituren waren hilflose Versuche, sich den Mitmenschen leichter erträglich zu machen.

In seiner Interpretation der Achten zeigt sich Wand ebenso wenig kompromissbereit wie Bruckner. Mit ungeheurer Konzentrationskraft, die sich in den letzten Jahren immer noch weiter zu verdichten scheint, treibt er das Geschehen voran, beschönigt nichts. Immer wieder scheint die Musik direkt aus dem Weltall herabzustürzen, apokalyptisch explodieren die Blechbläser, Sphärenklänge entströmen den Streichern. Erst im Finalsatz beginnt das leidende Individuum zu sprechen. Rasch wird es im Strudel rauschhafter Aufschwünge mitgerissen. Ist ihm die Apotheose vergönnt? Wand entlässt die Hörer ins Ungewisse - und in die Stille nach dem Schluss.

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