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Das wird noch, oder? Ruhende Bauarbeiten vor der Philharmonie.

© Thilo Rückeis

Berlins hässlichster Kulturort: Nur Kummer am Kulturforum

Bauzäune, Betonplatten, Erdhügel: Die Baustelle rund um die Philharmonie bleibt ein dauerhaftes Ärgernis.

Dieses Fleckchen Erde ist ganz offensichtlich verflucht. Jahrzehntelang tut sich am Kulturforum nichts – und wenn sich der Senat dann doch entscheidet, ein Ecke der Großstadttundra aufzuhübschen, wird die Sache nicht fertig. Seit Oktober 2015 laboriert „Grün Berlin“ an einem neuen Zugang herum, der die Philharmonie an den Potsdamer Platz anbinden soll. Zum Saisonstart am 31. August 2016, so wurde den Philharmonikern versprochen, werde alles fertig sein. Jetzt neigt sich die Spielzeit ihrem Ende zu, und es wird immer noch an drei Stellen auf dem Gelände gearbeitet.

Schuld daran, gestehen Senatsmitarbeiter hinter vorgehaltener Hand, sind die laschen Verträge der Verwaltung. Weil die Baufirmen derzeit ausgelastet sind, die Strafen bei unpünktlicher Erledigung von Arbeiten für den Staat aber vergleichsweise gering ausfallen, werden die Arbeiter gerne für privatwirtschaftliche Projekte abgezogen. Von offizieller Seite wird die Verzögerung mit unerwarteten Mängeln begründet. Den ganzen Herbst hatten die Philharmoniebesucher vor dem Entree einen Bauzaun zu umkurven. Der verdeckte die im Boden versenkten, maßgefertigten Tanks zur Aufnahme von Regenwasser. Bei der technischen Abnahme hatten die sich als schadhaft erwiesen und mussten ausgetauscht werden. Auch alle weiteren Arbeiten zogen sich hier grotesk in die Länge, zum Leidwesen von Abonnenten und Kulturtouristen.

Noch mehr Geduld muss aufbringen, wer einen Fragenkatalog zur philharmonischen Dauerbaustelle an „Grün Berlin“ mailt. Volle 18 Tage dauert es, bis die Antworten eintreffen. Nicht etwa, wie bei einem der vielen Telefongespräche mit der Pressestelle herauskommt, weil sich die hausinternen Sachverständigen so viel Zeit ließen – nein, das Problem ist die Abstimmung mit der übergeordneten Behörde, also der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, die eine eher nordkoreanische Informationspolitik betreibt.

Interessant ist beispielsweise die Erklärung, warum jeder Fahrradfahrer, der zu den neu eingerichteten Ständern will, erst eine extrem hohe Bordsteinkante überwinden muss. In Abstimmung mit der Denkmalpflege, heißt es bei „Grün Berlin“, habe man beschlossen, den ursprünglichen Zustand des Geländes an dieser Stelle zu erhalten. Denn dort, wo die Drahtesel jetzt abgestellt werden müssen, befindet sich ein Rest vom ursprünglichen Parkplatz. Und zu dem gehört die steinerne Kante eben dazu. Ob sie an dieser Stelle nun sinnvoll ist oder nicht.

Niemand fühlt sich wirklich zuständig

„Eine zentrale, fachlich begründete Forderung der Denkmalpflege“ wurde auch rund um das Scharoun’sche Meistergebäude verwirklicht: Gut einen Meter vor der Hauswand endet die Pflasterung, die der neuen, mit Baumrondellen durchsetzen Fußgängerzone ihren Charakter verleiht – als hätte das Geld für einen einheitlichen Belag bis zum Rand nicht gereicht. Tatsächlich aber durften die Waschbetonplatten von 1964 mit ihren über Jahrzehnte entstandenen Abnutzungsspuren nicht entfernt werden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Bis „Ende Juni“, so „Grün Berlin“, sollen die Restarbeiten auf dem Gelände erledigt sein. Prima, dass die Saison der Philharmoniker ja am 1. Juli offiziell endet und das Haus dann sieben Wochen lang in den Sommerschlaf fällt. So besteht zumindest wenig Gefahr, dass die vollendete Anlage sofort wieder von Musikliebhaber vertrampelt wird.

Andere Menschen halten sich in der Gegend ja nicht auf, aus verständlichen Gründen, wie ein Blick auf die ans Philharmonie-Gelände grenzende Scharoun-Straße verrät. Die ist völlig verwahrlost, mit schadhaften Bürgersteigen und einem Mittelstreifen, der in grauer Vorzeit zerwühlt wurde. Seitdem sprießt das Unkraut zwischen den Erdhügeln.

Auf die Frage, ob gegen diesen Schandfleck nicht etwas getan werden könnte, weil bis zur Fertigstellung des Museums des 20. Jahrhunderts ja noch einige Jahre ins Land gehen werden, antwortet „Grün Berlin“: „Die Flächen liegen in der Zuständigkeit des Bezirks. Uns ist nicht bekannt, dass hier bis zum Beginn der Umgestaltung Maßnahmen vorgesehen sind.“

Alle Welt beschäftigt sich mit dem umstrittenen Museumsplan. Aber das Grundproblem des Kulturforums bleibt, dass sich niemand zuständig fühlt. Hier stoßen so viele Partikularinteressen aufeinander, dass sich die Akteure gegenseitig blockieren. Das wurde gerade erst in der vergangenen Woche wieder klar, als bei einem „Hintergrundgespräch“ zum Museumsprojekt von Herzog & de Meuron ein halbes Dutzend Personen auf dem Podium saßen. Sie konnten oder wollten allesamt keine konkreten Auskünfte geben. Klar wurde bei diesem Termin nur, dass die Neugestaltung des Kulturforums an letzter Stelle steht. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher verstieg sich zu der Formulierung, durch das neue Museum beginne sich das Gelände zu definieren. Von Zauberhand also? Als läge nicht seit 2014 eine fertige Entwurfsplanung für das Kulturforum vor.

„Grün Berlin“ schränkt prompt wieder ein: „Die Überprüfung und Überarbeitung im Hinblick auf die durch den geplanten Museumsneubau geänderten Rahmenbedingungen wird zeitnah aufgenommen.“ Unter Einbeziehung des Bundes als Bauherr und des vielköpfigen Planungsteams für das Museum natürlich.

Sicher wollen auch die Philharmoniker ein Wörtchen mitreden, wenn es um den neuen Stadtplatz zwischen dem Museum und dem Kammermusiksaal geht. Und die bereits existierenden Ausstellungshäuser, die so gerne die Rampe vor ihrem Haupteingang los wären, interessieren sich sicher auch dafür, wie die „Treppen- und Sitzstufenanlage am Übergang zur Piazzetta“ aussieht, die zum Entwurf von 2014 gehört.

Trotzdem geht „Grün Berlin“ davon aus, dass dennoch „die aktualisierte Entwurfsplanung für die umliegenden Freiräume Ende diesen Jahres vorliegt“. Selten so gelacht.

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