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Der junge Wiener Musiker Bibiza (Mitte) und Band live im Astra Kulturhaus.

© Janne Hansberg

Bibiza live in Berlin: Dieser Lebensstil hat einen Preis

Der Wiener Sänger spielt ein verschwitztes Konzert im Astra. Die Stimmung schwankt zwischen euphorisiertem Kneipenabend und der Katerstimmung nach der Wahl.

Stand:

Nachdem der Wilmersdorfer Rapper Ritter Lean mithilfe einiger viraler Hits im Gepäck die Stimmung im ausverkauften Astra Kulturhaus am Montagabend standesgemäß vorgeheizt hat, fällt der Vorhang unter tosendem Jubel, als Franz Bibiza mit seiner vierköpfigen Band zum ersten Song „bis einer weint“ ansetzt, titelgebend für die Tour und sein im November erschienenes Album.

Es offenbart sich ein überraschend aufwendig gestaltetes Bühnenbild: Im Hintergrund eine Theke mit unzähligen Rotweinflaschen und knallroten, mit Dornen verzierten Plüsch-Barhockern, hinter der wie ein Barmann sein Keyboarder Xaver Nahler steht. Gitarrist Enzo Gaier trägt rote Lederjacke und Kippe im Mundwinkel – er wird im Laufe des Konzerts gut und gerne eine halbe Schachtel wegrauchen. Bibiza selbst schmückt eine große Sonnenbrille. Er grinst schelmisch. Ist das der berühmte Wiener Charme?

Wiener Schickeria und weißes Pulver

Das Setting könnte kaum passender gewählt sein: Bibizas Songs, die sich am ehesten irgendwo zwischen Indie-Rock, Disco und Hip-Hop einordnen lassen, handeln schließlich in erster Linie von zahllosen durchzechten Nächten. Und von weißem Pulver. Und von Wien. Angefangen hat der 26-Jährige ganz klassisch als Rapper, bevor er spätestens mit seinem fünften Album „Wiener Schickeria“ von 2023 breitere musikalische Gefilde erforscht hat und zu voller Bandbesetzung übergegangen ist, komplettiert durch Markus Windisch am Bass und Moritz Meixner an den Drums.

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Ein junger Wiener Musiker, der das koksgeschwängerte Nachtleben und die wohlstandsverwahrloste Schickeria der österreichischen Hauptstadt persifliert? Klar, dass sich den Feuilletons da ein Vergleich aufdrängte: Mittlerweile ist Bibiza so häufig als junger Falco bezeichnet worden, dass Google einem die Suchanfrage „Was hat Franz Bibiza mit Falco zu tun?“ vorschlägt.

Antwort: Nichts, auch wenn er gekonnt mit dessen Image kokettiert. Doch anstatt nach dem Erfolg von „Wiener Schickeria“ einfach mehr des Gleichen zu liefern, wagte Bibiza auf „bis einer weint“ musikalische Experimente und erweiterte vor allem sein lyrisches Repertoire um eine Handvoll politischer Texte und das Gefühl: Dieser Lebensstil kann nicht für immer gutgehen. „Der Preis ist irgendwann zu bezahlen / Und der Preis ist hoch, weil ma Sünder san“, heißt es in „Die Rechnung kommt“.

Ich möchte mir die Seele aus Leib kotzen, wenn ich sehe, dass so viele Leute Rechtsextreme wählen.“

Rapper Bibiza aus Wien

An diesem Abend im Astra funktioniert die Party allerdings noch ganz gut. Lautstark singen die Fans jeden Song mit, von „Ode an Wien“ und „Tanzen“ über „aufnimmawiederschaun“ bis hin zu „Discoschnupfen“, den Bibiza im typischen Wiener Schmäh mit einer langen Geschichte über seinen vergangenen Kolumbien-Urlaub einleitet. Ja nee, ist klar. Und auch die politischeren Texte, etwa in „Luxusparese“, singt der ganze Saal textsicher mit: „Wir sind fein raus, das Schiff wird schon nicht kentern / Falls etwa doch, dann gib die Schuld halt den Ausländern“.

Der Saal skandiert Anti-AfD-Parolen

Ohnehin schwankt die Stimmung an diesem Abend zwischen ausgelassen und wahlverkatert. Während Bibiza zu „Alkoholiker“ noch eine Requisitenflasche auf seinem Kopf zerschlägt, wird er kurz darauf deutlich ernster.

Er setzt sich an die Bar („Servus, Xaver“) und schlägt eine Zeitung auf. „Ich möchte mir die Seele aus dem Leib kotzen, wenn ich sehe, dass so viele Leute Rechtsextreme wählen“, sagt er unter großem Beifall. Anschließend wird der Wein aus der Bar – anscheinend doch nicht nur Requisite – an die erste Reihe verteilt und der Saal skandiert „Ganz Berlin hasst die AfD!“. Die Band gönnt sich derweil ein Likörchen.

Es folgen einige ruhigere Stücke, etwa „schwimmen“ oder „angefahrn“, bei denen Bibiza kurzerhand einen Sitzkreis in der Crowd aufmacht. „Blau“, „Donau“ oder „Die Rechnung kommt“ gehen hingegen nochmal richtig ab, bevor die lässige Disconummer „Schick mit Scheck“ den Abend beschließt. Beim Abschiedsfoto mit Publikum wird „Spritzwein!“ gerufen. Den kollektiven Brummschädel, den Wahlergebnisse und zu viele Gläser des perlenden Getränks auslösen können, haben Bibiza und seine Band mit ihrer unglaublichen Energie immerhin für zwei Stunden vergessen lassen.

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