zum Hauptinhalt
Kraterlandschaft. Bild aus Rufina Santanas Serie "Paisaje intimo".

© Galerie JeanMichel

Kunst von den Kanaren: Blick über Meere und Grenzen

Die Kanaren sind nicht nur Badeparadies für deutsche Touristen. Die Galerie JeanMichel präsentiert Künstlerinnen, die von den Inseln stammen oder auf ihnen leben.

Stand:

Während man sich auf sächsischen Straßen und in überregionalen Feuilletons über kulturelle Identitäten und die neue Okkupierung des Begriffs „Heimat“ streitet, wagt die Berliner Galerie JeanMichel einen Blick über alle Landes- und Kartengrenzen hinweg auf die kanarische Inselwelt, die bundesdeutsche Wohlstandsbürger zumeist nur von Badeurlauben kennen. Doch diese Inseln, die auf Weltkarten stets an den südwestlichen oder südöstlichen Rändern eben noch auftauchen – „Outside the map – fuera del mapa“, wie der Titel der Ausstellung formuliert –, schicken mit ihrer Kunst auch einen Blick über ihre vom Atlantik umspülten Markierungen hinaus.

Fünf Künstlerinnen haben die beiden deutschen und spanischen Kuratoren ausgewählt. Bekanntlich ist das Geschlecht kein Ausweis von Qualität, und es wäre interessant, noch mehr Künstler, also auch männliche, von diesem Inselparadies kennenzulernen. Drei der hier ausgestellten Künstlerinnen aber, die von verschiedenen Inseln stammen oder auf ihnen leben, verdienen Beachtung. Als wichtigste, auch international renommierteste präsentiert sich Rufina Santana aus Lanzarote mit ihren expressiven Landschaften, deren vulkanische Erde sie in immer neue glühende Farben taucht, als wolle sie ihre heimischen Biotope zugleich unter Natur- und Kulturschutz stellen. So wie den Weinanbau, für den Mulden in die braunviolette Lava gegraben werden, um Saat und den wachsenden Rebstock vor dem atlantischen Wind zu schützen, wie es ein Bild aus der Serie „Paisaje intimo“ zeigt (4200 Euro). Eine andere Serie entwirft bereits im Titel „Cartografias del jardín“ das persönlich geprägte Kunstprogramm.

Rückkehr aufs Festland

Mehr einer Feier ihres Inseldaseins gleichen die Bilder der auch in Textildesign ausgebildeten Malerin Ana Beltrá aus Gran Canaria, auf denen selbst der Liegestuhl, ein wiederkehrendes Motiv, sich in heiter-floraler Ornamentik als förmlich stofflicher Teil der Natur präsentiert („El Lugar De Mi Recreo“) oder diese als „Manifestación Floreal“ im ironischen Spiel der Materialien dekorativ erblüht (je 3900 Euro). Die dritte Künstlerin, Marta von Poroszlay, stammt aus Ungarn und scheint den Blick von außen, die städtisch geprägte Perspektive, in ihr Inseldasein mitzunehmen. Als träume sie die Szenen aus Straßen, Museen, Parks oder U-Bahn-Stationen noch einmal nach, überzieht sie fotografische Momentaufnahmen mit feinen Schichten und Lasuren von Farbe und verleiht den kleinen Bilderzählungen etwas unwirklich Schwebendes, Transparentes, zeitlos Gleitendes, einem leichten Schwindel auf unsicherem Boden gleich. Hier allerdings wären entspiegelte Gläser, auf die man in der Galerie leider verzichtete, angemessen (je 950 Euro).

Für den technischen Ausfall einer Projektion von Helen Acosta im hinteren Raum entschädigen drei großformatige, ebenso surreal wie souverän zwischen Zeiten und Stilen, Abstraktion und Figürlichkeit spielende Bilder (Preise: 6500-7500 Euro) des spanischen Malers Jesus Rodriguez de la Torre, dem die Galerie vor zwei Jahren eine eigene Ausstellung widmete . Womit man gewissermaßen auf das Festland zurückkehrt und sich nach diesem Blick über Meere und Grenzen neu fragen mag, ob Heimat nicht schlicht die Insel ist, die wir in uns selber bewohnen.

Galerie JeanMichel, Kantstr. 28; bis 20. 4., Mo–Fr 13–19 Uhr, Sa 11–16 Uhr

Marleen Stoessel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })