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Theater: Braver Baal

Regisseur Hans Neuenfels inszeniert Bert Brecht im Münchner Volkstheater - eher zahm und ziemlich langatmig.

München - Die Figur des maßlosen und rücksichtslosen Baal hat Bertolt Brecht sein Leben lang beschäftigt. Vier Fassungen entstanden von dem Stück über einen Dichter, der sich durch das Land säuft und hurt und letztlich daran zu Grunde geht.

Neuenfels, dessen Berliner "Idomeneo"-Aufführung im vergangenen Herbst eine heftige Debatte über die Freiheit von Kunst entfacht hatte, hat die Figur des Baal ungewöhnlich besetzt: Es ist kein gestandenes, viehisches Mannsbild, dem da die Frauen und auch Männer zu Füßen liegen, sondern ein auf den ersten Blick zarter, wie sich aber noch zeigt, auch äußerst zäher Jüngling (Ludwig Blochberger). Der lümmelt zunächst noch faul und träumend im roten Sessel und treibt seine Mutter (Karin Werner) zur Weißglut, bevor er sich ins große Abenteuer Leben stürzt.

Das startet viel versprechend ganz nach seinem Wunsch: Ein schöner Einfall ist es, wie sich Baal noch aus seinem Sessel heraus auf die kahle schwarze Bühne (Bühnenbild Gerhard Fresacher) eine Gesellschaft aus der Swing-Ära herbeischnipst. Kritiker, Verleger - sie alle umschmeicheln den jungen begabten Lyriker, bis er die Speichellecker mit seiner ungehobelten, lüsternen Art provoziert. Dass die feinen Herren ihn jetzt verachten, ficht Baal freilich nicht an. Sitten interessieren ihn ohnehin nicht, was zählt ist, dass ihm die Frauen hinterherlaufen. Die nimmt er sich, wie sie kommen, sei es jetzt Emilie, die Frau des Verlegers (Sophie Wendt), oder die Angebetete eines Freundes, Johanna (Elisabeth Müller). Er hat seinen Spaß daran, sie zu demütigen. Um die auch tödlichen Folgen seines rücksichtslosen Handelns kümmert er sich nicht.

Charismatisch und teuflisch

Blochberger spielt Baal erfrischend und verleiht der Figur durchaus Charisma mit diabolischen Zügen. Dennoch ist es nicht nachvollziehbar, warum er eine solch große Anziehungskraft auf sein Umfeld ausübt. Dazu bleibt er doch zu sehr ein unreifer, launischer Junge. Ein weiterer Grund könnte darin liegen, dass die Version, die Neuenfels zusammen mit Yvonne Gebauer aus den bestehenden "Baal"-Fassungen erarbeitet hat, vor allem in der ersten Hälfte allzu brav ausfällt.

Auch die engen, homoerotischen Bande zu seinem Freund Ekart (Gabriel Raab) erschließt sich nicht. Mit ihm zieht Baal, vom Durst nach Leben getrieben, durch die Lande. Angesichts Ekarts sympathischen, aber auch ein wenig blassen Auftretens bleibt unklar, was Baal an Ekart fasziniert. Da hilft auch nicht, dass die beiden nackt im Matsch suhlen. Insgesamt hätten dem rund dreistündigen Stück einige Kürzungen gut getan. Vor allem in der zweiten Hälfte, in der der losen, ohnehin schwer erschließbaren Szenenfolge der rechte Zug fehlt.

Beim Publikum kam der lange Weg bis zu Baals endgültigem geistigen und körperlichen Verfall dennoch gut an. Zwar hatten ein paar wenige Zuschauer nach der Pause den Saal verlassen, doch gab es für das junge Schauspielerensemble wie auch für das Regieteam viel Applaus und auch ein paar Bravo-Rufe. (Von Sandra Tjong, dpa)

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