
© David Lynch - Item Editions, Paris
Brüder im Geiste : Horst-Janssen-Museum zeigt Kunst des US-Regisseurs David Lynch
Kurz vor seinem Tod bereitete David Lynch seine Ausstellung im Oldenburger Horst-Janssen-Museum noch vor. Dort sind nun seine selten gezeigten Lithografien zu sehen.
Stand:
„Mein Haus steht in Flammen“ („My House is on Fire“) heißt die Ausstellung im Oldenburger Horst-Janssen-Museum. Sie zeigt Arbeiten des Mitte Januar im Alter von 78 Jahren gestorbenen Amerikaners David Lynch parallel zu den artverwandten des Hausherrn Horst Janssen.
Den Avantgarde-Regisseur Lynch dürften die meisten Besucher als Filmemacher von „Mulholland Drive“ (2001) und „Blue Velvet“ (1986) oder der Kult-Serie „Twin Peaks“ (1990/2017) kennen. Er galt als Meister des Abwegigen, Absurden, Befremdlichen bis Gruseligen.
Weniger bekannt ist, dass Lynch studierter Maler und lebenslang auch bildender Künstler war. Als ihm beim Malen Ton und Bewegung fehlten, begann er, Filme aus der Perspektive seiner Malerei zu entwickeln. Über den Film hinaus umfasst sein Werk zahlreiche Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Collagen und sogar musikalische Projekte.
Obwohl David Lynch das Œuvre des deutschen Grafikers und Zeichners Horst Janssen (1929-1995) nicht kannte, und auch von Janssen nicht überliefert ist, ob er jemals Filme von Lynch gesehen hat, offenbaren die Arbeiten der beiden Künstler verblüffende Ähnlichkeiten. Ihrer Bildsprache ist ein Faible für das Unheimliche, Fremde, Mehrdeutige unverkennbar gemein, auch wenn sich der Blick vordergründig auf vermeintlich Vertrautes richtet.
David Lynch, der als seine malerischen Vorbilder Edward Hopper, Francis Bacon und die Surrealisten nannte, hatte seine erste wichtige Ausstellung in Deutschland im Jahr 2009 nicht von ungefähr im Max Ernst Museum in Brühl. Die Oldenburger Schau „My House is on Fire“ zeigt nun erstmals Lynch neben Janssen.
Kuratorin Alice Gericke, selbst Zeichnerin und Stipendiatin des Horst-Janssen-Museums, kombinierte dafür 36 Lithografien, Filmstills und Kurzfilme des Regisseurs mit Radierungen, Zeichnungen und Fotografien von Horst Janssen aus den 1960er bis 1980er Jahren.
Lynchs Lithografien entstanden ab 2007 in der Pariser Werkstatt IDEM (ehemals Mourlot), wo bereits Picasso, Matisse und Chagall drucken ließen. Der noch von ihm speziell für Oldenburg gezeichnete Titel mit dem Wort „MAISON“ ist als Hommage an seine französische Druckerei zu verstehen, die etliche seiner raren Lithografien für die Doppelausstellung zur Verfügung stellte.
Der Begriff erinnert an ein bei Lynch häufig vorkommendes Motiv: ein „Haus, das Frieden und Sicherheit verspricht, in dessen dunklen Ecken aber Gefahren lauern“, so Kuratorin Alice Gericke.

© Horst Janssen, VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Ein weiteres häufiges Motiv in seinem künstlerischen Werk ist das Feuer, von dem gleichermaßen Faszination und Gefahr ausgeht. Ein Haus in Flammen wie auf Lynchs titelgebendem, großformatigen Gemälde von 2017 und in seinem parallelen Kurzfilm „Fire“ stellt das Urbild einer Katastrophe dar.
Auch Horst Janssen hat sein Zuhause einst als „Himmelsorkus“ bezeichnet – ein paradoxes, ähnlich ambivalentes Bild, das Geborgenheit und Höllenqual miteinander verbindet. Janssen fabulierte über heimisches Kaminfeuer, das wärmt, aber auch Städte verschlingen kann. Mit Zeichnungen von Streichholzbriefchen inszenierte er sich selbst anspielungsreich als Zundelfrieder.
Beide Künstler demonstrieren in ihren Werken, dass hinter den Oberflächen der scheinbar heilen Welt Verdrängtes, Gewalt und Horror lauern. Kein Wunder, dass beide die Magie der Farbe Schwarz liebten.
Technisch allerdings gehen sie bei Druckwerken unterschiedliche Wege. Janssen arbeitete linear und präzise, meist auf einer Kupferplatte, während Lynch auf der glatt geschliffenen Oberfläche eines Lithosteins in großen Gesten mit tiefschwarzer Farbe und Lösungsmittel agierte. Dabei schuf er unwirkliche Lichtsituationen mit immateriellen Schemen sowie unklaren Körpern.
In deutschen Museen werden Lithografien von David Lynch kaum gezeigt und so gut wie gar nicht gesammelt. Mit seinen unmittelbaren Arbeiten auf dem Stein, mit Pinsel und Rakel, aber auch mit den bloßen Fingern brachte Lynch eigenwillige, manchmal verstörende Köpfe, Figuren und Motive hervor, die Analogien zu seinen Filmen und Kurzfilmen besitzen.
Immer wieder sind es brennende Häuser, vereinzelt Arme, Beine, Köpfe, Monstergesichter und seltsames Getier, aber auch Theaterszenen, die sich auch surreal in Lynchs Zeichnungen und Gemälden breitmachen. Im Kurzfilm „Fire“ beispielsweise kriecht ein Wurm aus einer Sonne und beginnt zu tanzen.
Im Hintergrund sind eine gezeichnete Theaterbühne sowie eine Landschaft in Schwarz-Weiß, ein Haus in Flammen und greifende Hände zu sehen. Ein ähnliches Szenario findet sich auch auf Lynchs Gemälde „My House is on Fire“ im Zentrum der Ausstellung.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: