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Meins! Lukas (Nikki Rappl) hat eine scharfe Waffe erbeutet.

© Camino Verleih

Behinderten-Komödie "Vielen Dank für nichts": Buddys auf Rollstühlen

Ganz neu ist das Genre der sensiblen Behinderten-Komödie nicht. Stefan Hillebrand und Oliver Paulus versuchen es trotzdem und mischen in "Vielen Dank für nichts" Buddy Movie, Romantik und eine Prise Krimi.

So ganz neu ist das Genre der sensiblen Behinderten-Komödie mit Romantik-Potenzial nicht. Ralf Huettners „vincent will meer“ mit Florian David Fitz und Karoline Herfurth etwa landete 2010 einen veritablen Millionen-Hit. Und auch Dietrich Brüggemanns Kino-Debüt „Renn, wenn du kannst“ bleibt in bester Erinnerung: Robert Gwisdek spielte darin einen jungen Querschnittgelähmten, der sich imponierend widerstrebend den Welt- und Selbsthass abgewöhnt. Eine Art Liebe ist ihm dabei behilflich, ziemlich von fern.

Seltener schon sind Spielfilme, in denen nicht Schauspieler in Behindertenrollen brillieren, sondern Behinderte selbst als Schauspieler besetzt sind – ohne dass das paternalistisch und folglich peinlich wirken würde. Das prägnanteste Beispiel dafür ist auch schon vier Jahre alt: In der spanischen Komödie „Yo también“ (kurioser deutscher Titel: „Me too – Wer will schon normal sein?“) verliebte sich ein Mittdreißiger mit Downsyndrom in eine betont unromantisch ruppig lebende „normale“ Frau. Und, wunderbar natürlich, sie sich auch in ihn.

„Vielen Dank für nichts“ von Stefan Hillebrand und Oliver Paulus nun bringt all diese Elemente irgendwie zusammen. Der junge Schweizer Schauspieler Joel Basman spielt den nach einem Snowboard-Unfall querschnittgelähmten Valentin. In einer Meraner Behinderteneinrichtung, in der er auf Wunsch seiner Mutter an einem „Hamlet“-Theaterprojekt teilnehmen soll, trifft er unter anderem auf Lukas (Nikki Rappl) und Titus (Bastian Wurbs). Mit ihnen freundet er sich bald an, und eine traurig-glückliche Verliebtheit – in die hübsche, anderweitig gebundene Pflegerin Mira (Anna Unterberger) – gibt es auch.

"Kannst du was anderes außer sabbern?"

Aus der schroffen anfänglichen Kollision zwischen dem sich verzweifelt entschieden weiter als „normal“ empfindenden Valentin und den vergleichsweise natürlich und emotional direkt agierenden Behinderten schöpft der Film sein stärkstes Potenzial. „Kannst du was anderes außer sabbern?“, herrscht Valentin den behinderten Titus an. Drauf Titus: „Schreib erst mal ein Buch mit einem Augenlid, du Anfänger!“ Es mögen schlichte Beispielsituationen sein, in denen die beiden Regisseure die beiden Welten so frontal aufeinander zuführen; in der Wahrnehmung Valentins aber wirken sie wie unverbundene und ununterbrechbare Albträume eines aus seiner Welt Geschleuderten.

Erträglich wird ihm die Umgebung nur durch die Flucht in einen inneren Dauer-Soundtrack. „Ich brauch dein Mitleid nicht“, tröstet ihn die Gesangsstimme aus dem Off – Nähe aber fehlt Valentin jetzt erst recht. Einigen Charme bezieht das Geschehen aus Valentins mal schüchternen, mal forschen Annäherungsversuchen an Mira; und auch solange der Film selber noch nicht eisern auf seine Story zusteuert, lebt er von allerlei funkelnden Augenblicken. Dann aber sortiert sich alles, leider, ins Oftgesehene.

Flucht ins Klischee

Die Handlung: eine Reihe anlauflos zum dramaturgischen Minimalzweck gepeitschter Belegszenen, die irgendwann in einem dilettantisch inszenierten Waffenkauf und einem albern überlang ausgespielten Tankstellenüberfall kulminieren. Die Nebenfiguren, etwa Lukas’ erst dauergleichgültiger, dann dauerschimpfender Vater (Georg Kaiser): lieblos skizzierte Karikaturen, wie im deutschsprachigen Spielfilm nur zu üblich. Selbst pointiert und soziologisch exakt entworfene Rollen wie die der Sozialpädagogin Katja (Isolde Fischer) fügen sich da bald ins Klischee.

Seltsame Erfahrung, einen Film so konsequent immer kleiner werden zu sehen, bis von ihm nicht mehr bleibt als eine – wenig überraschende – erhebende Moral vom Grabbeltisch. Viel Applaus rauscht da von der Leinwand. Davor aber: wenig Dank für alles.

Babylon Mitte, Kulturbrauerei, Pompeji, Zukunft; englisch untertitelte Fassung im b-ware! ladenkino

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