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Im Mai ist die Croisette in Cannes gewöhnlich ein Hotspot für die internationale Kinobranche und Filmfans.

© Stephane Mahe/Reuters

Cannes Filmfestival 2020: Oskar Roehlers "Enfant Terrible" ist in der offiziellen Auswahl

Dieses Jahr vergibt das wichtigste Filmfestival keine Palmen, sondern nur ein Gütesiegel. 56 Filme wurden ausgewählt.

Von Andreas Busche

Lange hat Festival-Direktor Thierry Frémaux gezögert, die diesjährige Ausgabe des Cannes-Filmfestivals abzusagen, am Ende wurde ihm die Entscheidung von höchster Stelle, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, abgenommen. Am Mittwochabend verkündeten Frémaux und Cannes-Präsident Pierre Lescure stattdessen die 56 Filme, die in diesem Jahr in die offizielle Auswahl gekommen wären. Ein virtuelles Festival habe nie zur Debatte gestanden, hatte Frémaux früh erklärt.

Zur offiziellen Selektion gehören der Wettbewerb sowie die Reihen "Un Certain Regard" und alle Weltpremieren außer Konkurrenz. In diesem Jahr wird ausnahmsweise aber nicht zwischen den Reihen unterschieden. Ein deutscher Film befindet sich auch unter den Auserwählten, Oskar Roehlers Fassbinder-Biopic "Enfant Terrible" (deutscher Kinostart: 1. Oktober). Roehler tritt damit in die Fußstapfen von zuletzt Maren Ade, Fatih Akin, Valeska Grisebach und Ulrich Köhler.

Es ist seit der Berlinale viel spekuliert worden, welche Filme nach Cannes berufen würden, ein sicherer Kandidat, den wohl alle auf der Liste hatten, hat es tatsächlich geschafft: Wes Anderson mit seinem star-gespickten "The French Dispatch". Weitere Filme, die Frémaux und Lescure am Mittwoch bekanntgaben, sind "Summer of 85" (François Ozon), "True Mothers" (Naomi Kawase), "Lover’s Rock" und "Mangrove" (beide Steve McQueen), "Druk (Another Round)" (Thomas Vinterberg), "Peninsula" (Sang-ho Yeon), "ADN" (Maïwenn) und "Falling" (Viggo Mortensen).

Das Cannes-Siegel hilft den Arthouse-Filmen

Eine weitere interessante Cannes-Premiere wäre "Aya and the Witch" von Goro Miyazaki gewesen, der erste 3D-CGI-Animationsfilm aus dem japanischen Traditionsstudio Ghibli.

Dass Cannes in diesem Jahr trotz des Festivals ein Gütesiegel vergibt, ist eine Reaktion auf die schwierige Situation von unabhängigen Arthouse-Filmen, für die Cannes immer ein wichtiger Standort war, um erste Aufmerksamkeit zu generieren. Ohne den Hype der internationalen Kritik und der Branche (der eminent wichtige Filmmarkt findet in diesem Jahr nur virtuell statt) geht zwar ein wichtiger Aspekt des "Cannes-Touch" verloren, aber das Siegel sollte in einem immer unübersichtlicheren Weltmarkt kleinen Filmen helfen, internationale Verleihe zu finden.

Die Frauenquote ist etwas besser als 2019

Dafür hat Cannes in diesem Jahr einige Restriktionen gelockert. Filme mit dem Palmen-Siegel dürfen im September auch erstmals im Wettbewerb des Konkurrenzfestivals in San Sebastian laufen. Außerdem werden wie gehabt Sondervorführungen in Toronto, Deauville, Pusan, New York, Rom, Mumbai und Sundance möglich sein.

Damit behauptet sich Cannes weiter als wichtigstes Festival. Vom Tisch zu sein scheint hingegen eine Kooperation mit Venedig, nachdem sich Thierry Frémaux für den Geschmack von Biennale-Präsident Roberto Cicutto etwas zu zögerlich gezeigt hat. Das Festival in Venedig wird in diesem Jahr wie geplant vom 2. bis 12. September stattfinden, wenn auch krisenbedingt unter verschärften Bedingungen.

Frémaux zeigte sich schon am Tag vor der Ankündigung merklich stolz, dass sich 2020 ungewöhnlich viele Filme von jungen Regisseurinnen und Regisseure in der Auswahl befänden: Von den insgesamt 56 Filmen seien 15 Debüts, gut ein Viertel des Gesamtprogramms. 16 Filme sind von Regisseurinnen, zwei mehr als im Vorjahr. 532 Regisseurinnen haben in diesem Jahr Filme eingereicht, knapp 40 weniger als im Vorjahr.

Fraglich bleibt, was etwa mit den Filmen von Wes Anderson und Steve McQueen passieren wird, die sich vermutlich nicht nur mit einem Palmensiegel abfinden werden. Vermutlich ist die Tür nach Venedig hier noch nicht ganz verschlossen. Es sollte jedenfalls nicht verwundern, wenn man einigen dieser Filme auf dem Lido wiederbegegnet.

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