Was die Nazis mit Chanel zu tun hatten: Serie „The New Look“ bei AppleTV+

Paris, die Stadt der Liebe, der Freude, der Mode, der Revolution. In der Serie „The New Look“, eine Produktion aus dem Hause Apple, wird die französische Hauptstadt zu einer Kulisse, die sich, trotz aller tragischer Realität, ihre Märchenhaftigkeit bewahrt. Diesen mystischen Glanz oder vielmehr den bekannten „Chic“ erhält die Stadt aber erst durch ihre Bewohnerinnen und Bewohner.

Diese sind, so stellt es „The New Look“ dar, im Paris der 1940er Jahre alles Berühmtheiten. Coco Chanel, Christian Dior, Cristóbal Balenciaga, Jean Cocteau, Pierre Balmain, um nur einige zu nennen. Sie alle führen den, bis auf Chanel, freundschaftlichen Wettbewerb um die eleganteste Haute Couture, die schon selbst Pariser Markenzeichen geworden ist.

Dieses Markenzeichens wollen sich, wie üblich, auch die Paris besetzenden Nationalsozialisten bemächtigen. Der aufbrechende Konflikt, dem sich die kreative Szene Paris’ gegenübersieht, ist also Kollaboration oder Widerstand. Hierin findet Serienschöpfer Todd A. Kessler („Bloodline“) seinen inszenatorischen Antrieb. „The New Look“ will wissen, wer mit wem und wer nicht mit wem und warum. Aus dieser Frage entwickelt sich eine fesselnde, ambivalente Geschichte mit tragischen Figuren, gleichsam Opfer wie Täter.

Eine Ewigkeit ist ein kleiner Preis für Perfektion.

Cristóbal Balenciaga in „The New Look“

Dabei ist es, um zynisch zu argumentieren, wohl der Preis für Kreativität, für Luxus, sich auch mal mit dem Teufel gemein- zumachen. So stellt Juliette Binoche ihre Coco Chanel dar. Anmutig, chic, kokett und vor allem frei interpretiert Binoche die Modeikone. Dabei macht sie die Gratwanderung zwischen Naivität und berechnendem Vorsatz. Chanel biedert sich nicht den Nazis an, im Gegenteil, sie hat nur Hohn für die Besatzer übrig.

Doch leider, leider sind es galante Verführer, die der Grand Dame den Hof machen. Der Doppelagent Hans von Dincklage (Claes Bang) gibt der alleinstehenden Frau zunächst Lust und Luxus, verbindet diesen aber schnell mit einem Abendessen bei Heinrich Himmler. Und Chanel nimmt die Einladung dankend an. Diabolischer Endgegner dieser perfiden Nazi-Koketterie ist der junge General Walter Schellenberg, dargestellt von Jannis Niewöhner, der mit seiner Art des Lächelns allein die Frauenherzen in dieser Serie zum Schmelzen oder Erstarren bringen kann. Wie kann man da nur widerstehen? Chanel – könnte.

© Roger Do Minh

Hier kommt die andere Seite der Medaille ins Spiel: Christian Dior (Ben Mendelsohn). Der sensible Künstler ist zunächst ein sich unterordnender Mensch. Seine Anstellung beim Couturier Lucien Lelong (John Malkovich) gibt Dior genügend Raum zur Entfaltung, Lelong unterstützt ihn beinahe ausnahmslos. Doch das Modehaus verkauft seine Garderobe an Nazi-Funktionäre, die ihre Damen in schönen Kleidern ausführen möchten. Für Dior bedeutet Opportunismus: Ich bin bloß Designer, nicht der Verkäufer.

Doch auch er kann sich dem Widerstand nicht entziehen. Seine Schwester Catherine (Maisie Williams) kämpft gemeinsam mit ihrem Freund in der Resistance, was Diors Wohnung zu einem unsicheren Ort macht. Mitunter ist der Designer von Verlustängsten gegenüber seiner Schwester geplagt, versucht auch sie zum stillen Protest zu überreden. Doch es sind düstere Zeiten.

Interessant wird, was nach der deutschen Besatzung geschieht. Wie die Franzosen mit ihren Idolen umgehen, wie auch sie die Frage stellen, auf wessen Seite man eigentlich stand. Hierin macht Dior ein Statement, welches Chanel nicht kann: Er möchte das Licht in die Gesellschaft bringen, die Schönheit, die Liebe, die Lust – am Leben.

„The New Look“ ist umfangreich, lässt nichts außer Acht, nimmt sich die Zeit für dreidimensionale Figuren, ihre Träume und ihr Dasein in einer dunklen Zeit. So öffnet die Serie den Blick in eine Welt, die man sonst nur durch die Scheiben der Schaufenster von außen betrachtete. Nun sind wir mittendrin.

„The New Look“ läuft seit dem 14. Februar auf Apple TV+ mit wöchentlich einer neuen Folge.