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Graphic Novel nach Kika-Serie: Alles andere als „völlig meschugge“
Antisemitismus, Rassismus und Mobbing: Andreas Steinhöfel und Melanie Garanin verhandeln im Comic schwere Themen leicht, innovativ und spannend.
Stand:
Zweitverwertung mal anders: Zuerst war da die Kika-Serie über Antisemitismus in der Schule, die der preisgekrönte Kinder- und Jugendbuchautor Andreas Steinhöfel („Rico und Oskar“) mitentwickelt und -geschrieben hat.

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Dass am Serienende einer der Protagonisten seinen eigenen Comic namens „Völlig meschugge?!“ präsentiert und daraus dann die gleichnamige reale Graphic Novel entstand (Carlsen, 288 Seiten, 20 €, Lesealter: 12+), ist ein Coup. Von Steinhöfel getextet, von der Illustratorin Melanie Garanin gezeichnet („Pippa Pepperkorn“, „Nils“), folgt die Storyline dem Drehbuch von Steinhöfel, Klaus Döring und Adrian Bickenbach.
Die Geschichte entwickelt im Comic jedoch einen anderen Drive und erlaubt zugleich genaueres Hinsehen. Zudem wartet sie mit neuen Ideen auf, die Garanin durch variantenreichen Seitenbau einbringt: So verwebt sie parallele Handlungsstränge auf einer Seite ineinander – nur durch unterschiedliche Farben voneinander getrennt. An anderer Stelle eröffnen scheinbar ins Vertikale kippende Bilder eine neue Dimension.
Die Story: Die Umwelt- und Tierschützerin Charly, der aus Syrien stammende Hamid und das kluge Multitalent Benny sind Freunde. Am liebsten spielen sie mit der Modelleisenbahn, wo alles geordnet, friedlich und kontrolliert ist.
Die Realität sieht anders aus: Da sind vor allem die Verbalattacken von Lennart, dem Leitwolf eines Rudels aus Mobbern und Mitläufern. „Ökoziege“ schimpft er Charly. „Al Fratzi“ und „Picasso“ nennt er Hamid, der Mangas zeichnet.
Ein Davidstern ändert alles
Benny als begabter Basketballer mit Charme blieb bislang verschont. Das ändert sich, als ihm sein sterbender Opa eine Kette mit Davidstern schenkt. Erst da erfährt der Junge, dass er jüdisch ist. Benny trägt den Davidstern mit Stolz, doch zunehmende Übergriffe sind die Folgen.

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Auch der Freundesgruppe droht die Spaltung: Bennys neue Identität verunsichert Hamid, der aus einem arabisch-muslimischen Umfeld kommt, das den Staat Israel ablehnt. Die große Politik dringt in die kleine Welt der Freunde ein. Als dazu Hamid durch rassistische Vorurteile als Dieb verdächtigt wird, spitzt sich die Lage weiter zu. Erst nach dem Showdown zwischen Lennart und Benny wenden sich die Dinge zum Guten.
Ist in der Kika-Serie Hamid der Erzähler, erleben wir hier alles aus der Perspektive Charlys. Ihre Texte begleiten und kommentieren das Geschehen, treten aber optisch in den Hintergrund und überlassen den Zeichnungen die Hauptrolle. Die scheinen manchmal wie dahingekritzelt, sind bunt und oft formatfüllend.

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In vielen Szenen spielen dazu die emotional aufgeladenen schwarz-weißen Manga-Sequenzen des Zeichentalents Hamid (von Zeichner David Füleki) eine wichtige Rolle. Mangas in einer Graphic Novel, die mit Elementen von Kindercomics spielt: Das ist experimentierfreudig und zieht Leser:innen in das Erleben der Protagonist:innen hinein.
Ein starker Moment: Als die Mobber Hamid mal wieder übel mitspielen, schwingt sich der am Boden Liegende im Manga zum schlagkräftigen „Superhero“ hinauf. Ein Held, der Hass und Hetze mit Mut und Gegenwehr begegnet. So wie es auch Hamid am Ende gelingt.
Heike Byn
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