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Rötger Werner Friedrich Wilhelm Feldmann alias Brösel an seinem Arbeitsplatz.

© dpa/Frank Molter

Darauf eine Runde Bölkstoff: „Werner“-Zeichner Rötger Feldmann wird 75

Sein Anti-Held Werner und Sprüche wie „Hau wech die Scheiße“ machten ihn berühmt. Jetzt wird Comiczeichner Rötger Feldmann alias Brösel 75.

Von
  • Katharina Wiechers
  • André Klohn

Stand:

Er brachte den norddeutschen Dialekt nach ganz Deutschland, ebenso wie detailliertes Wissen über die Niederungen des Gas- und Wasserinstallateurwesens: der Comic-Held Werner. Längst ist der biertrinkende Lehrling mit Hang zum Fäkalhumor und einem Faible für röhrende Motorräder Kult. Am Montag wird sein Erfinder und Zeichner Rötger Feldmann 75 Jahre alt.

Geboren am 17. März 1950 in Travemünde begann Feldmann schon als Kind zu zeichnen. „Im Winter war nichts los in Travemünde, mal ein Auto oder ein Fischkutter, die Schwedenfähren“, sagte Feldmann 2020 in einem Interview mit dem Magazin „Spiegel“. „Das habe ich festgehalten.“ Außerdem las er Comics, oft stundenlang, und begann irgendwann selbst, kleine Stories zu zeichnen.

Karikaturen des Chefs beendeten seine Lehre

Als Feldmann sieben Jahre alt war, zog die Familie ins 160 Kilometer entfernte Flensburg an der deutsch-dänischen Grenze, weil der Vater zur Bundesmarine ging. Nach der Schule machte Feldmann eine Lehre zum Lithographen, verlor den anschließenden Job aber bald wieder, weil er während der Arbeit Karikaturen von seinem Chef zeichnete.

Daraufhin war Feldmann einige Jahre arbeitslos, lebte von „Stütze“ und schraubte in seiner Werkstatt an seinem Horex-Motorrad. Ständig bekriegte er sich mit Polizei, TÜV und Zulassungsstelle. Und weil es vorkommen konnte, dass Bestandteile seiner Maschine abfielen oder eben „herunterbröselten“, bekam er in jener Zeit den Spitznamen Brösel.

Anlässlich seines Geburtstags hat Rötger Feldmann ein Gratis-Jubiläumsheft zusammengestellt. Mehr dazu auf seiner Website: www.werner.de.

© Rötger Feldmann

Ende der 1970er Jahre zeichnete Brösel die erste „Werner“-Comicgeschichte für eine Zeitschrift, 1981 erschien mit „Werner - Oder was?“ der erste Comic-Band. Der norddeutsche Rocker-Slang und die Mischung aus liebenswerter Tollpatschigkeit und Auflehnung gegen die Obrigkeiten traf einen Nerv: Die ersten 10.000 Exemplare waren nach wenigen Monaten ausverkauft. Es sollten 16 weitere Bände folgen.

Vorbild für Werners Erlebnisse als Installateurslehrling waren die Geschichten von Brösels Bruder Andi Feldmann. „Ich habe ihm immer Geschichten von Meister Röhrich erzählt, bei dem ich als Heizungsinstallateur gelernt habe“, sagte der Bruder im November 2024 in einem Interview mit der Tageszeitung „taz“. „Die hat er dann auf Werner gemünzt.“

Sätze wie „Tut das Not, dass das hier so rumoxidiert?“ des stets zigarrenrauchenden und auf Sparsamkeit bedachten Chefs mit der hohen Stimme werden bis heute immer wieder zitiert.

1990 kam Werner mit „Werner - Beinhart“ in die deutschen Kinos, produziert von Bernd Eichinger. Obwohl die Mischung aus Real- und Animationssequenzen auch auf Kritik stieß, lockte der Film fünf Millionen Menschen in die Kinos. Weitere Filme folgten 1996 („Werner - Das muß kesseln!!!“), 1999 („Werner - Volles Rooäää!!!“), 2003 („Werner - Gekotzt wird später!“) und 2011 („Werner - Eiskalt!“).

Der 1950 in Lübeck geborene Feldmann gilt als einer der erfolgreichsten deutschen Comiczeichner

© dpa/Frank Molter

2019 begann Feldmann, der mit seiner Frau auf dem Land zwischen Kiel und Neumünster lebt, seine gesamten Comic-Bände zu überarbeiten und neu zu verlegen.

Es steckt in den Büchern vieles drin, was wir damals so durchgemacht haben.

Rötger Feldmann

Die ganze Bürokratie und der Wahnsinn der Welt regen ihn auf wie eh und je. Vieles davon verarbeitet Brösel in Geschichten. Von Ruhestand ist bei dem Künstler keine Spur. „Ich arbeite jeden Tag“, erzählt Rötger Feldmann im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur. Auf seinem Schreibtisch in der Nähe von Kiel liegen aktuell mehrere Projekte.

Feldmann hat in seinen bislang 13 „Werner“-Hauptbänden und anderen Büchern stets einen Teil seiner eigenen Lebensgeschichte verarbeitet. „Es steckt in den Büchern vieles drin, was wir damals so durchgemacht haben. Manches ist über-, manches aber auch untertrieben“, sagt Brösel. Einiges habe er sich ausgedacht.

Die Reise in den Süden mit einem für 4000 Mark in Hamburg erstandenen Oldsmobile dagegen habe es wirklich gegeben, inklusive Schlauchboot auf dem Dach und König spielen, sagt Brösel. „Hoch gemütlich so ein rollendes Königreich. Auf dem Rückweg ist uns die Kopfdichtung geplatzt, weil wir zu blöd waren, da Wasser reinzufüllen.“

Wasser und Bölkstoff

Brösels Leitthema sind das Schrauben an den Maschinen, der Kampf mit der Obrigkeit und reichlich Bölkstoff („Hau wech die Scheiße“). Der 13. „Werner“-Hauptband „Wat nu!?“ ist von 2018. Ein 14. über den rotzfrechen Klempner-Lehrling soll kommen. Fünf Kinofilme über den Anti-Helden lockten Millionen Menschen in die Kinos. Im Fernsehen laufen sie weiter.

Mit 75 legt Brösel Wert auf bewusste Ernährung und die Gesundheitslehre Ayurveda. „Ich trinke viel Wasser. Der Mensch soll zweieinhalb bis vier Liter zu sich nehmen, das kannst Du doch nicht an Bier trinken. Da bist Du ja doof nach einer Woche.“ Mit seiner Frau habe er einen Ernährungsberater aufgesucht. „Denn jeder Körper braucht anderes Benzin“, weiß Brösel.

Prolliger Kult: Eine Seite aus „Werner - Wat Nu!?“

© Bröseline

„Dem geht es zu gut“, sagt Ehefrau Petra über ihren Mann. Sie kümmert sich um das Organisatorische, hält ihm die ganze Bürokratie vom Hals. „Sie leitet die Firma und macht alles“, sagt er. Seit mehr als 30 Jahren lebt das Paar weitgehend zurückgezogen auf einem denkmalgeschützten Gutshof in einem kleinen Dorf südlich von Kiel.

Manche Sachen sind mir mittlerweile auch peinlich.

Rötger Feldmann

Wenn Brösel zeichnet, fangen seine Augen an zu leuchten. Seine Werke entstehen immer noch mit Bleistift. Seit Jahren überarbeitet er seine alten Werke, derzeit ist Band 12 „Freie Bahn mit Marzipan!!!“ von 2004 in Arbeit. Die neuen Zeichnungen gefallen ihm besser als die alten. „Der Werner sieht ja immer ein bisschen aus, als ob er gerade etwas ausgefressen hat“, sagt Feldmann. Das mache ihn so sympathisch.

Gut 20 Jahre später überarbeitet er den Band auch inhaltlich. 40 Seiten kommen neu hinzu. „Damals war ich schlecht drauf und die Geschichten sind halt nicht so toll gewesen.“ In einer der neuen Geschichten spielt auch seine Petra mit als Reporterin. Gefragt hat er sie vorher nicht.

Demnächst soll eine überarbeitete Version von  „Freie Bahn mit Marzipan!!!“ erscheinen.

© Brösel

„Manche Sachen sind mir mittlerweile auch peinlich“, sagt Brösel. Einiges aus den alten Comics sei nicht mehr zeitgemäß, anderes könne er heute besser zeichnen. „Ich lerne ja auch von anderen.“ Die Geschichten für Comics lägen auf der Straße: „Du brauchst ja bloß mal rausgehen und irgendwelche Leute beobachten“, sagt Brösel.

Seine Comics, Filme und Figuren sind ein Stück echte schleswig-holsteinische Kulturgeschichte.

 Ministerpräsident Daniel Günther 

„Früher hat Rötger schnell den Nagel auf den Kopf getroffen, er konnte den Ausdruck einer Person darstellen“, sagt Petra Feldmann. Das könne ihr Mann immer noch, aber nun habe er den Anspruch, perfekt zu sein. „Das dauert länger und er schafft weniger.“

Für Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ist Brösel ein echtes schleswig-holsteinisches Original. Der Zeichner habe mit „Werner“ eine absolute Kultfigur geschaffen. „In meiner Jugend habe ich gerne die Werner-Comics gelesen und auch die Filme im Kino gesehen.“ Mit Feldmann und dessen Frau habe er schon darüber gesprochen, wie es in Zukunft mit seinem Werk weitergeht. „Schließlich sind seine Comics, Filme und Figuren ein Stück echte schleswig-holsteinische Kulturgeschichte.“

Brösels Motorräder wie der berühmte „Red-Porsche-Killer“, mit dem er vor geschätzt 250.000 Zuschauern 1988 das legendäre „Werner“-Rennen in Hartenholm verlor und die Revanche gegen seinen Kumpel Holger Henze 2018 gewann, stehen im umgebauten Kuhstall. Angemeldet ist aber keines.

„Ich habe da einfach keinen Nerv drauf, weil meine Maschinen ja so stark umgebaut sind“, sagt der Zeichner. „Ich bin beschäftigt mit meinen Büchern, ich kann jetzt nicht mehr in der Werkstatt stehen.“ Zudem sei auf dem Hof ständig etwas zu tun.

Der letzte Kick für Wacken

Das Rennen 1988 in Hartenholm haben auch die beiden Gründer und Veranstalter des Heavy-Metal-Festivals in Wacken, Holger Hübner und Thomas Jensen, besucht. „Die Wacken Festivalidee an sich entstand im Landgasthof, aber das Werner Rennen war schon der letzte Kick, der uns dazu bewegte, dass wir ein Festival machen möchten und verkündeten dies 1989 im Landgasthof in Wacken“, sagt Hübner.

Brösel fiebert natürlich mit, wenn „Holzbein Kiel“ nun endlich in der Bundesliga gegen den Abstieg kickt. Ins Stadion gehe er aber selten. Die Spiele der Störche verfolge er im Fernsehen. Zwar genießt es der Zeichner, Fans zu treffen, sagt Brösel. „Aber wenn ich da nachmittags ins Stadion gehe, dann muss ich die ganze Zeit nur Bier saufen und Autogramme schreiben. Dann bin ich abends tot.“

Manche von Brösels Ausdrücken haben über die Jahre den Weg in den Wortschatz vieler Deutscher geschafft, wie etwa „Tass Kaff“, „Flasch Bier“ oder „vergriesgnaddelt“ – wenn eine Schraube sich nicht lösen lässt. So hat Rötger Feldmann – auch wenn Werners große Zeit vorbei ist – bleibende Spuren hinterlassen. (dpa/AFP)

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