
© Maren Amini, Foto: Petra Herbert
Die besten Comics des Quartals: Deutsch-Afghanisches Familiendrama führt Kritiker-Auswahl an
Alle drei Monate wählen 30 deutschsprachige Comic-Kritiker die aus ihrer Sicht besten Neuerscheinungen der Saison. Hier die Liste der zehn aktuellen Favoriten.
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Die Bilderzählung „Ahmadjan und der Wiedehopf“ der Hamburger Illustratorin Maren Amini ist der beste Comic des Quartals. Das ist das Ergebnis einer Abstimmung unter 30 deutschsprachigen Journalistinnen und Journalisten, die alle drei Monate die aus ihrer Sicht besten neuen Comicveröffentlichungen bewerten.
In ihrer ersten langen Comicerzählung verknüpft Amini die dramatische Lebensgeschichte ihres in Afghanistan geborenen Vaters Ahmadjan Amini mit Elementen des persischen Versepos „Die Konferenz der Vögel“ aus dem 12. Jahrhundert. Es ist die Biografie eines halbwaisen Hirtensohns aus dem Hindukusch-Gebirge, der eine Künstlerlaufbahn einschlägt, in Deutschland landet, hier eine Familie gründet und zeitlebens zwischen der alten Heimat und dem neuen Zuhause hin- und hergerissen ist.
Maren Amini vermittelt diese von Widersprüchen und schmerzhaften Wendungen geprägte Biografie mit einem hellen, freundlich wirkenden Zeichenstil. Das irritiert anfangs, erweist sich aber im Lauf der Geschichte als perfekte Wahl. Denn neben Themen wie Entwurzelung, Angst und Gewalt geht es in „Ahmadjan und der Wiedehopf“ auch um die menschliche Widerstandskraft, einen unbändigen Lebenswillen und die Macht der Liebe.

© Carlsen
Der Tagesspiegel präsentiert die Comic-Bestenliste in Kooperation mit der Fachzeitschrift „BuchMarkt“, der Website Comic.de und dem RBB-Sender Radio 3.
Auf Platz zwei der Kritikerliste kam ein weiterer Comic, der eine Biografie vor dem Hintergrund zeitgeschichtlicher Umbrüche zum Thema hat: Hannah Brinkmanns „Zeit heilt keine Wunden“. Es basiert auf der Lebensgeschichte des Holocaust-Überlebenden Ernst Grube. Nach dem Krieg engagierte er sich als Kommunist in der Bundesrepublik und wurde deswegen mehrfach verhaftet.

© Panini
Emil Ferris wurde mit dem zweiten und letzten Band ihres Comic-Epos „Am liebsten mag ich Monster“ auf den dritten Platz gewählt. Darin verknüpft die US-Comicautorin eine Hommage an die US-Horrorcomics und Trash-Filme der 1950er und 60er Jahre mit einer komplexen psychologischen Thriller-Handlung, die auf dem fiktiven, aber autobiografisch inspirierten Tagebuch eines ungewöhnlichen jungen Mädchens basiert.
Der Berliner Zeichner Reinhard Kleist kam mit dem zweiten Teil seiner Comic-Biografie auf Platz vier: „Low – David Bowie’s Berlin Years“ zeichnet die Erfahrungen des Musikers in den späten siebziger Jahren nach, als er in Berlin lebte und inspiriert von der Mauerstadt Songs wie „Heroes“ schuf.
US-Zeichner Daniel Clowes, der durch die Verfilmung seiner Graphic Novel „Ghost World“ weit über die Comicszene hinaus bekannt ist, hat kürzlich mit „Monica“ eine neue Erzählung vorgelegt, die die Jury auf Platz 5 gewählt hat. Das Buch verknüpft mehrere Kurzgeschichten, in deren Zentrum die Biografie einer Frau steht, zu einem stilistisch vielfältigen Panoptikum der jüngeren US-Geschichte.

© Reprodukt
Auf Platz sechs: Der Italiener Alessandro Tota mit dem ersten von geplanten zwei Bänden seiner Geschichte „Die große Illusion“. Darin verknüpft er eine fiktive Künstlerbiografie mit der Geschichte der US-Comics der 1930er und 40er Jahre.
Die Schweizer Künstlerin Dinah Wernli spürt in ihrem Avantgarde-Comic „Louise“ der Lebensgeschichte einer Frau nach, die dem Schweizer Maler Cuno Amiet, Mitglied der Künstlergruppe „Brücke“, immer wieder Modell stand. Ihr Buch wurde von der Jury auf Platz sieben gewählt.
Der Sachcomic „Jerusalem – die Geschichte einer Stadt“ kam auf Platz 8. Darin zeichnen der Historiker Vincent Lemire und der Illustrator Christophe Gaultier die viertausendjährige Geschichte der Heiligen Stadt nach. Zum Politikum wurde das Buch kürzlich durch eine kurzfristig abgesagte Buchpräsentation in Berlin.
Der vor gut 25 Jahren erstmals veröffentlichte historische Samurai-Manga „Vagabond“ des Zeichners Takehiko Inoue wurde kürzlich neu aufgelegt. Die „Master Edition“ der Reihe schaffte es auf Platz neun der Kritikerliste.
Auf dem zehnten Platz landete ein Entenhausen-Abenteuer in Marvel-Manier: „Onkel Dabobert und der Infinity-Taler“. In der Titelstory des Bandes 591 der Reihe „Walt Disney: Lustiges Taschenbuch“ verknüpft Autor Jason Aaron zusammen mit einem italienischen Zeichnerteam klassische Disney-Elemente mit Anspielungen auf Superheldencomics des Marvel-Verlags und das Multiversum.
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