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Undurchdringlicher Dschungel: Eine Szene aus dem Buch.

© Illustration: Wellmann

Abenteuercomic: Fluss ohne Wiederkehr

Mit dem rabiaten Abenteuercomic „Der Ziegensauger“ beweist Thomas Wellmann gleich zwei Dinge: Zum einen muss ein deutsches Comic-Debüt nicht autobiografisch verkrampft sein. Zum anderen lässt sich feinstes Seemannsgarn aus kruden Zeichnungen spinnen.

Wie vor ihm Joseph Conrad in seinem Klassiker „Das Herz der Finsternis“, so führt auch Thomas Wellmann in seinem Comic-Debüt „Der Ziegensauger“ ein kleines Schiff samt Kapitän, Crew und unliebsamen Passagieren immer tiefer ins Herz des Dschungels. Während Conrads Afrika sowohl Held als auch Leser magisch anzieht und sie unweigerlich hineinzieht, zeichnet Wellmann das südamerikanische Amazonasdelta als undurchdringliche Dschungelwand. Nur der Wind findet einen Weg hindurch.

Auch wenn die Darstellung aufgrund der verschiedenen Erzählformen, Roman und Comic, unterschiedlich ist, so werfen beide Autoren doch den gleichen Blick hinter die Fassade des Dschungels. Beide Mannschaften werden mit den Ängsten ihrer Zeit konfrontiert: Was im 19. Jahrhundert die schwarzen Flächen auf der Landkarte und Eingeborenen waren, sind heute moderne Mythen, wie eben der südamerikanische chubacapra, oder zu deutsch, der Ziegensauger.

Wie eine hässliche Karikatur von Tom Sawyer sieht Matos, Kapitän und Held der Geschichte, aus. Da er sich aber ebenso gut auf den Flüssen auskennt, bekommt er den zwielichtigen Auftrag einen mysteriösen Passagier samt Aktenkoffer durchs Dschungeldelta zu transportieren. Nachdem er seine illustere Crew in Bars und beim Leguan-Kampf eingesammelt hat, kann die Reise losgehen.

Gerade als die letzten zahlenden Passagiere an Bord gehen wollen, kommt eine weitere Partei hinzu, die ihr Interesse an Gast und Koffer waffengewaltig unterstreicht. Halb auf der Flucht, halb auf Entdeckungsreise geht es immer tiefer in den Dschungel.

Amazonas Ahoi: Eine Szene aus dem Buch.
Amazonas Ahoi: Eine Szene aus dem Buch.

© Illustration: Wellmann/rotopolpress

Obwohl Wellmann den Dschungel immer wieder abbildet, spinnt er das eigentliche Seemannsgarn doch an Bord. Auch wenn die Sotalia, so heißt der Kutter von Kapitän Matos, die beengten Kanäle des Dschungels nicht verlässt, so handelt es sich bei seiner Crew doch um echte Seeleute. Sie scheinen geradewegs einem Wes-Anderson-Film entsprungen: charakterstark und doch irgendwie verrückt. Sie saufen, prügeln sich, haben Sex und reden, wie ihnen der Mund gewachsen ist. Willmann muss seine Figuren einfach nur aufeinanderprallen lassen, unweigerlich entstehen spannende Geschichten.

Auch grafisch wird das Garn weiterverarbeitet. Wellmanns krude Schwarz-Weiß-Zeichnungen ähneln dem Stil der Hamburger Schule, doch verbindet sich diese ungelenkt wirkende Darstellung der Figuren in „Der Ziegensauger“ perfekt mit dem Inhalt des Comics. Sind es doch die rauen Umgangsformen der Crew, die Wellmann gerade noch in Sprechblasen presst oder einfach ganz den Rahmen sprengt, um sagen zu lassen, was gesagt werden muss.

„Der Ziegensauger“ ist ein erfrischend eigenwilliges Comic-Debüt, das nicht im Saft einer Autorenbiografie herumkrebst, sondern den Kurs ganz klar auf Fabulierlust und raue Unterhaltung gesetzt hat.

Thomas Wellmann: Der Ziegensauger, rotopolpress, 104 Seiten, 15 Euro, Leseprobe unter diesem Link. Zu Thomas Wellmanns Website geht es hier, Bilder einer Ausstellung zum Buch gibt es hier.

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