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Mangazeichnerin Racami: „Deutsche Manga müssen sich nicht mehr hinter denen aus Japan verstecken“
Die hessische Zeichnerin Racami hat gerade ihren neuen Manga „Der Fluch des purpurnen Rauches“ veröffentlicht. Im Tagesspiegel-Fragebogen gibt sie Einblicke in ihre Arbeit.
Stand:
Wer hat sie künstlerisch geprägt? Woran arbeiten sie gerade? Was empfehlen Sie Comic-Einsteigern? Im Tagesspiegel-Fragebogen geben Zeichnerinnen und Zeichner Einblicke in ihre Arbeit und in ihre Leidenschaft für die Kunstform. Heute: Die Mangazeichnerin Racami, deren neues Werk „Der Fluch des purpurnen Rauches“ kürzlich bei Altraverse veröffentlicht wurde.
1. Was kommt bei Ihrer Arbeit zuerst: Worte oder Bilder?
Erst kommen Worte (die grobe Planung und das Skript pro Kapitel), dann kritzelige Bilder und Worte (das grobe Storyboard mit Texten) und dann die ausgearbeiteten Bilder (das Fertigstellen der Seiten, wie sie dann am Ende abgedruckt werden).
2. Hören Sie beim Zeichnen Musik, und wie beeinflusst Sie das?
Gerade beim Erstellen des groben Storyboards ist Musik essenzieller Bestandteil meiner Arbeit. Je nach Grundstimmung des Kapitels oder der Szene habe ich verschiedene Playlists auf die ich zurückgreifen kann, um es mir leichter zu machen, schneller in der Gefühlswelt meiner Figuren anzukommen und mich dort zu halten. Später beim Fertigstellen der Seiten ist es dann eher seichtes, musikalisches Hintergrundgeplänkel oder sogar nur Geräusche von Regen oder Ähnlichem, was dem Ärger entgegenwirken soll, wenn die Linien beim Tuschen nicht so wollen wie ich.
3. Was essen oder trinken Sie am liebsten bei der Arbeit?
Essen und somit Krümel und Zeichenutensilien vertragen sich meiner Meinung nach nicht so gut, sodass ich nicht an meinem Arbeitsplatz esse. Bei Getränken greife ich gerne auf Kaffee oder Espresso mit Hafermilch oder Ingwermate zurück.
4. Angenommen Ihre Wohnung brennt: Welche Manga würden Sie auf jeden Fall aus Ihrem Regal retten?
Die 14-bändige Serie „Tramps like us“ und ehrlich gesagt meine eigenen alten Sachen aus der Zeit als ich noch als Selfpublisherin unterwegs war, da es die ja so nicht mehr geben wird, weil ich ja nun das große Glück habe meine Geschichten bei Altraverse zu wissen.
5. Welche Zeichner/innen und Autor/innen waren für Ihre eigene Entwicklung die prägendsten?
Yayoi Ogawa, die Autorin von „Tramps like us“, Aki Irie, Autorin unter anderem von „Ran und die graue Welt“, Mika Yamamori mit „This Lonely Planet“, Kaori Ozaki mit „Our Summer Holiday“ und Inio Asano mit „Zeit am Abgrund“ sind Werke und Autor*innen, zu denen ich immer wieder zurückkehre, weil ich ihre Geschichten, Zeichnungen oder Erzählweisen in ganz verschiedenen Aspekten sehr inspirierend finde.
6. Welchen Comic würden Sie jemandem empfehlen, der sonst eigentlich keine Comics liest?
Das kommt natürlich sehr darauf an, was diese Person sonst so liest aber bei Action kann man mit „Dragon Ball“ einfach nichts falsch machen. Möchte man lieber Slice-of- Life-Kurzserien lesen, kann ich eigentlich alles von Kaori Ozaki empfehlen, da alles von ihr, was bisher in Deutschland rauskam, maximal drei Bände umfasst und trotzdem zu verzaubern vermag. Bei Mystery kann ich „Bright Sun - Dark Shadows“ empfehlen und möchte man ein psychologisches Drama lesen dann „Boy‘s Abyss“. Soll es Richtung Adventure gehen, dann „Das Geheimnis von Scarecrow“, „Cold - Die Kreatur“ und „Charon 78“, ebenso wie „Kiela und das letzte Geleit“ wenn etwas in Richtung Fantasy/Romance gesucht wird.
7. Glauben Sie, dass der Manga aktuell die Aufmerksamkeit hat, die er verdient?
Nein, das denke ich nicht, aber ich bin voller Hoffnung für die Zukunft, da Manga über die größere Akzeptanz von Anime etwas mehr positive Aufmerksamkeit erhalten hat. Dies ist eine sehr positive Entwicklung, da Manga gerade in frühen Jahren der deutschen Veröffentlichung teilweise stigmatisiert wurden. Inzwischen ist es viel ‚normaler‘ geworden, Anime zu schauen und damit auch Manga zu lesen, gleichermaßen sind wir von japanischen Verhältnissen, wo Manga nicht nur in der Gesellschaftsmitte angekommen, sondern sogar als Kunstform anerkannt ist, noch weit entfernt. Aber wie gesagt denke ich, dass wir auf einem guten Weg sind, den es nun nur noch stetig weiter zu beschreiten gilt.

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8. Welche zeitgenössischen Mangazeichner/ innen verdienten mehr Aufmerksamkeit, als sie sie im Moment haben?
Meiner Meinung nach alle deutschsprachigen Eigenproduktionen. Teilweise wird bei den Lesenden immer noch zwischen Manga, die aus Japan kommen und Manga aus anderen Ländern unterschieden und hier aufgrund der Herkunft vorschnell geurteilt, da den japanischen Werken die positiveren Eigenschaften zugeschrieben werden. Die Zeiten, in denen sich die Manga aus dem deutschsprachigen Raum hinter denen aus Japan verstecken ‚müssen‘, sind nicht nur lange vorbei, meiner Meinung nach bringen europäische Manga sogar ganz eigene Qualitäten aufgrund der anderen Sozialisation der Autor*innen mit sich, die man bei japanischen Manga so vielleicht nicht finden wird.
9. Wenn Sie einen hoch dotierten Preis für das Manga-Lebenswerk zu vergeben hätten, wer würde ihn bekommen?
Da die deutschsprachige Manga-Autor*innen-Szene viel jünger ist als die japanische, würde ich hier gerne unterscheiden und für beide einen Namen nennen.
Für Japan wäre es (leider post Mortum) Akira Toriyama („Dragon Ball“). Ich glaube, kein Mensch hat außerhalb von Japan so viele Menschen dazu inspiriert, einen Stift in die Hand zu nehmen und sich an eigenen Geschichten zu versuchen wie er.
Für die deutschsprachigen Mangaka (dies bedeutet Mangazeichner*innen) würde ich den Preis an Gin Zarbo geben. Ich denke, alle deutschsprachigen, noch aktiven Mangaka brennen absolut für das, was sie da tun, aber ich kenne keinen Menschen der in vergleichbar jungen Jahren schon so viel geschafft und so hell gebrannt hat wie Gin Zarbo, das merkt man meiner Meinung nach auch in jedem Interview oder wenn sie über ihre Arbeit spricht.
10. Wie würden Sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an Ihren Comics ist?
Mir wird immer wieder gesagt, das eine einfühlsame Emotionalität in der Erzählung und die glaubhafte Darstellung der Gefühle der Figuren sowie die Umsetzung diverser Lichtstimmungen das wären, was meine Manga von Anderen unterscheidet.
11. Woran arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade Fragebogen ausfüllen?
Die Sammlung an leeren Kaffeetassen auf meinem Schreibtisch zu erweitern. Und wenn mir daneben noch Zeit bleibt arbeite ich am zweiten Band meiner neuen Serie „Der Fluch des purpurnen Rauches“, von der Band 1 bereits bei Altraverse erschienen ist.

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12. Wieso würden Sie einem jungen Menschen raten, Manga-Autor/in zu werden - und wieso würden Sie ihm oder ihr davon abraten?
Jedem Menschen, der nicht anders kann als sich kontinuierlich Geschichten auszudenken und dem Manga da als das richtigste Medium hierfür erscheint, würde ich raten. Wenn du eh nicht damit aufhören kannst, dann versuch das so oft und so viel und so gut wie möglich in deinem Leben zu tun. Allen Anderen würde ich sagen, dass Mangazeichnen auch ein wundervolles Hobby sein kann und nicht jede*r Mangaka werden muss. Man kann das, was man da tut, auch lieben, wenn man sich einen anderen Lebensmittelpunkt sucht, denn wenn man Mangaka werden möchte, wird Manga genau das werden.
13. Wie fühlt es sich für Sie an, Ihre Zeichnungen als gedruckte Bücher in der Hand zu halten?
Das ist einfach ganz wundervoll und gleichermaßen im positivsten Sinne surreal. Ich hatte erst nie zu hoffen gewagt, überhaupt mal etwas von mir in gedruckter Form zu sehen. Als ich dann den Entschluss fasste, einige Geschichten als Selfpublisherin herauszubringen, war das schon überwältigend. Und dann kam Altraverse und setzte nochmal eine riesige Schippe drauf und machte Dinge möglich, von denen ich nie zu träumen gewagt hätte. Ich bin einfach sehr dankbar, dass meine Geschichten nun als gedruckte Bücher in die Welt hinausgetragen werden.
14. Welche Noten hatten Sie im Kunstunterricht?
Von einer Eins bis zu einer Vier Minus war alles dabei, zu einer Fünf hat es allerdings nie gereicht.
15. Was können Sie überhaupt nicht zeichnen?
Autos, Motorräder und generell mechanische Dinge sind mir ein Graus, wobei ich große Verfechterin dessen bin, dass man sich nahezu alles beim Zeichnen aneignen kann, wenn man nur genug Zeit investiert. Bei Autos hat mir somit leider bisher nur die Zeit gefehlt.
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