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Zwischen Conan, Moebius und Enki Bilal: Eine Seite aus "Prophet".

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Science-Fiction-Comics: Neuer alter Prophet

Brandon Graham macht aus der zu Recht vergessenen 90er-Jahre-Serie „Prophet“ überraschend intelligente Science-Fiction-Unterhaltung. Vor kurzem ist der erste US-Sammelband erschienen.

Seit Jahren ist Rob Liefeld eine der umstrittensten Gestalten im amerikanischen Comic-Business. Gerade eckte der Mitbegründer des Image-Verlags erst wieder mit DC und kurz darauf via Twitter auch noch mit „Batman“-Autor Scott Snyder an – eine fast genauso unterhaltsame Show wie Liefelds Internetvideo im Vorjahr, in dem er beim Autofahren ein paar Comicseiten fertiggestellt hat. Füße zeichnet Liefeld dagegen immer noch nicht gern, egal ob in- oder außerhalb seines Autos. Daran hat sich seit den 90ern, als er mit Todd McFarlane, Jim Lee und einigen anderen Marvel-Abtrünnigen den Image-Verlag gründete, nicht viel geändert. Was sich definitiv geändert hat, sind die Anmutung und Qualität von Liefelds Science-Fiction-Serie „Prophet“, die bei image seit Anfang des Jahres von Autor Brandon Graham neu definiert und zu unerwarteten Höhen geführt wird.

„Youngblood“ dürfte eine der bekanntesten Comic-Kreationen gewesen sein, die Rob Liefeld über seine Extreme Studios in das Programm des image-Verlages einspeiste. In Heft zwei der Superhelden-Serie debütierte im Sommer 1996 Jonathan Tyler Prophet, ein mit übermenschlichen Kräften versehener Krieger aus der Vergangenheit, der mit riesigen Waffen und Pseudo-Symbolik das Böse in der Zukunft bekämpft. Ein typischer 90er-Jahre-Comic eben. Riesige Schwerter und Knarren. Lange Haare. Gewaltige Muskeln und andere anatomische Attribute. Zeitreisen. Von Eleganz oder auch nur Substanz keine Spur. Umso überraschender ist deshalb, was Brandon Graham aus der zu recht vergessenen Figur und ihrer eigenen Serie gemacht hat, die im Januar diesen Jahres mit US-Heft 22 zwar die alte Nummerierung der letzten „Prophet“-Heftreihe übernommen hat – sonst aber glücklicherweise nicht viel.

Comic-Erneuerer: Brandon Graham bei der Arbeit.
Comic-Erneuerer: Brandon Graham bei der Arbeit.

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Plötzlich wie Conan von Moebius

Nachdem er die High School geschmissen hatte, schlug sich der 1976 geborene Graham in der Werbung und mit Porno-Comics durch. Später schuf der Enkel des amerikanischen Pin-Up-Künstlers Bill Randall als Autor und Zeichner u. a. die schräge Science-Fiction-Achterbahnfahrt „King City“, die bei image in diesem Jahr erstmals vollständig im Paperback gesammelt worden ist. Doch auch mit diesem wilden Gemisch aus Manga und Independent-Comic mit Vertigo-Charme hat „Prophet“ nichts gemein.

„Ursprünglich hatte ich das Ziel, etwas zu machen, das sich wie die Conan-Comics von John Buscema und Roy Thomas aus den 1970ern anfühlt“, sagt Graham über seine Pläne zur Generalüberholung von „Prophet“ – ganz ohne Rob Liefeld und dafür mit unverbrauchten Zeichnern und Co-Autoren wie Simon Roy oder Giannis Milonogiannis, die der intelligenten SF-Serie auch vom Look her eine geradezu europäische Anmutung geben. Plötzlich weht also sogar so etwas wie ein Hauch von Moebius durch „Prophet“.

Neustart: Das Cover des ersten Sammelbandes der neuen Geschichten.
Neustart: Das Cover des ersten Sammelbandes der neuen Geschichten.

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Dazu passt auch Grahams Aussage zur Weiterentwicklung des Serienkonzepts: „Ich wuchs mit der Lektüre des ‚Heavy Metal’-Magazins auf, und das geht dir einfach ins Blut über. Jeder, der mit mir an ‚Prophet’ zusammenarbeitet, ist ein Fan der Arbeit von Moebius und Enki Bilal. Es ist aufregend, wie viel Ideenfreiheit in den Sachen steckt, die sie gemacht haben.“ Diese Begeisterung für die Möglichkeiten der Science Fiction und die Vielfalt des Genres merkt man den neuen „Prophet“-Kapiteln an. Das ist auch mal recht sperrig und nicht auf den ersten Blick zu durchschauen, bisher jedoch zumeist auch immer äußerst lohnenswert und beeindruckend anders.

Aber ist besonders das amerikanische Publikum bereit für diesen Relaunch der Abenteuer von John Prophet, ja diesen ganz schön europäischen und abgehobenen Duktus in Sachen Story und Artwork? „Ich denke, das amerikanische Publikum ist für viel mehr bereit als das, was es für gewöhnlich bekommt“, sagt Graham bestimmt. „Viele der Leser hier sind mit Mangas oder Webcomics großgeworden, in denen die Grenzen des Möglichen weit mehr verschoben werden als bei den meisten Comic-Verlagen. Es gibt viele Optionen, obwohl ich meistens nur versuche, dass letztlich das funktioniert, was ich selbst gerne lesen möchte.“

Dennoch brachte Graham inzwischen den originalen Prophet in den Verlauf der neuen Serie. Kein Grund zur Panik allerdings und auch kein Grund zur Angst vor schlechten Gewohnheiten oder Rob Liefeld – am Ende bedeutet das schließlich nur noch mehr altes Science-Fiction-Spielzeug, mit dem Graham und Co. etwas Unvorhergesehenes und unbestreitbar Cooles anstellen können, das man sowohl in den wüsten 90ern als auch bis vor Kurzem keinesfalls von „Prophet“ erwartet hätte.

Die Serie erscheint bei image Comics, der erste Sammelband „Prophet Vol. 1: Remission“ hat 136 Seiten und kostet 7,50 Euro. Hier gibt es einen Überblick über die bisher veröffentlichten Hefte der neuen Reihe.

Der Blog unseres Autors Christian Endres findet sich hier: www.christianendres.de.

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