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Eine Szene aus  „In Ordnung“.

© Szene aus „In Ordnung“ / Edition Moderne

Psychische Krankheit im Comic: Besuch vom Schutzengel

Kritikerliebling: Comiczeichnerin Anja Wicki erzählt in ihrem Buch „In Ordnung“ die Geschichte einer jungen Frau und ihrer psychischen Krankheit.

Von Birte Förster

Es sind kleine Ereignisse, eigentlich Nichtigkeiten, die Eva Ritter völlig aus der Fassung bringen: ein umgekippter Salzstreuer oder heruntergefallene Flaschen führen bei ihr zu starken Gefühlsausbrüchen und regelrechten Zusammenbrüchen. Immer mehr dominieren diese ihr Leben. Dabei ringt sie darum, die Kontrolle zu behalten, indem sie sich an eine rigide Ordnung hält.

„In Ordnung“ (Edition Moderne, 208 S., 24€) lautet auch der Titel der Graphic Novel, in der die Schweizer Comiczeichnerin Anja Wicki die Geschichte der jungen Frau und ihrer psychischen Krankheit erzählt.  Das Buch wurde jetzt von einer Jury von 30 Comic-Journalist:innen unter die zehn besten Veröffentlichungen des aktuellen Quartals gewählt.

Nach außen hin wirkt Eva wie eine junge Frau, die mitten im Leben steht: Sie arbeitet in einem Architekturbüro und widmet sich in mühevoller Kleinstarbeit ihren Projekten. Die Beziehung zu ihrem Freund ist vertrauensvoll, mit ihren Freund:innen stehen regelmäßig Unternehmungen an. Aber Eva zieht sich immer mehr aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Zunehmend meidet sie Situationen, die zu einer Überforderung führen könnten. Ihre wahren Gefühle lässt sie nicht nach außen dringen, sondern versucht, die Fassade aufrechtzuerhalten. Auch Gedanken an Suizid werden präsenter. 

Während sich Evas Situation zunehmend verschlechtert, taucht plötzlich ein Schutzengel als reale Person in ihrem Leben auf. Mit seiner lebenslustigen, spontanen Art fungiert er als ihr Alter Ego. Denn er verkörpert all das, was Eva nicht ist – oder gerade nicht sein kann. Mit seinen Vorschlägen und Fragen nervt er oft. Das führt zu Konflikten, gleichzeitig bringt es etwas bei ihr in Gang.     

Das Titelbild des besprochenen Buches.
Das Titelbild des besprochenen Buches.

© Edition Moderne

Authentisch und in ruhiger Erzählweise beschreibt Anja Wicki, wie Eva an ihrer Situation leidet – und doch nicht anders kann. Um welche Erkrankung es sich dabei handelt, wird nicht genau benannt. Auch auf der grafischen Ebene spiegelt sich ihr Zustand eindrucksvoll wider: Reduziert ausgestaltete Panels mit kahlen Räumen und steriler Ordnung zeugen von Evas innerer Leere. Die Farben wirken meist matt und kraftlos, so bringen sie überzeugend zum Ausdruck, wie ihr Lebenswille schwindet.  

Auch mit der Wahl der Perspektiven unterstreicht Wicki geschickt, wie ausweglos zunächst alles scheint: In einem Panel ist Evas Freund von hinten zu sehen, der starr, mit herunterhängenden Armen vor ihrem Bett steht. Durch seine Beine hindurch ist Eva zu erkennen, die verzweifelt weinend auf dem Bett liegt. Seine Haltung drückt absolute Ratlosigkeit aus. Das Bild zeigt, wie machtlos er sich fühlt.      

Mit wenigen Strichen transportiert Wicki Evas Gemütszustände und lässt dabei ästhetische Bilder entstehen. Vor allem den Landschaftsszenerien wohnt eine besondere Zartheit inne. Sie tragen die Hoffnung auf einen Neuanfang in sich.  

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