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Kompromisslos: Eine Szene aus „Bastard“.

© Reprodukt

Comic „Bastard“: Skrupellose Löwenmutter

In seinem Gangster-Roadcomic „Bastard“ erzählt der Belgier Max de Radiguès von einer sehr ungewöhnlichen Mutter-Sohn-Beziehung.

Was ist eine gute Mutter? Eine Frage, die in Comics recht selten diskutiert wird. Eine Ausnahme ist die Erzählung „Bastard“, die 2018 auf dem Comicfestival in Angoulême mit dem Prix de Lyceés ausgezeichnet wurde.

Die Familiengeschichte, die der belgische Zeichner Max de Radiguès in seinem Gangster-Roadmovie erzählt, ist – vorsichtig ausgedrückt – untypisch: May und ihr minderjähriger Sohn Eugene haben gerade mit einigen Kumpanen einen beispiellosen Raubüberfall hinter sich und flüchten unerkannt durch den Südwesten der USA. Den Kofferraum voller Geld hofft May darauf, endlich ein normales Leben mit ihrem Sohn führen zu können. Doch bald zeichnet sich ab, dass der Pakt mit ihren Gauner-Kollegen gebrochen wurde – es gibt einen Verräter.

Strudel aus Lügen und Gewalt

May und Eugene müssen ums Überleben kämpfen und geraten in einen Strudel aus Lügen und Gewalt – Gewalt, die nicht zuletzt May selbst ausübt. Wenn es darum geht, ihre Beute und ihren Sohn zu verteidigen, ist sie nicht zimperlich, trümmert ihren Feinden den Kopf aufs Waschbecken oder erwürgt sie mit bloßen Händen.

Es sind jedoch immer nur kurze Szenen, in denen die Gewalt so grell und brutal aufblitzt wie in einem Tarantino-Film. Über weite Strecken hat der Comic einen vergleichsweise ruhigen Erzählton und konzentriert sich vor allem auf die Beziehung zwischen May und Eugene: Eugene liebt seine Mutter trotz – oder vielleicht gerade wegen – des Vagabunden-Lebens à la Bonnie und Clyde, das sie gegen alle Widerstände zusammenschweißt. Und als May nach einem Unfall schwer verletzt wird und in Lebensgefahr schwebt, verteidigt Eugene ihr Leben kaum weniger rabiat, als seine Mutter das seine.

Ein perfekt eingespieltes Team

May und Eugene sind ein perfekt eingespieltes Team, was sich jedoch nicht so sehr in den actionlastigen Szenen offenbart, sondern eher in den kleinen zärtlichen Momenten dieser sehr ungewöhnlichen Mutter-Sohn-Beziehung.

Das Cover des besprochenen Bandes.

© Reprodukt

Ist May nun eine gute Mutter? Nein, denn so sehr sie für Eugene kämpft, verhindert ihr Outlaw-Dasein letztlich, dass sie wirklich für ihren Sohn da sein kann. Um ihn vor allzu großer Gefahr zu schützen, muss sie den Kontakt zu ihm abbrechen. Trotzdem: May ist eine starke Frau, die weiß, was sie will, und man kann nicht umhin, sie für ihr knallhartes, selbstbewusstes Auftreten zu bewundern. Und hin und wieder ertappt man sich dabei, wie man denkt: „Wie toll muss es sein, so eine Mutter zu haben!“

Max de Radiguès: Bastard, Reprodukt, aus dem Französischen von Andreas Förster, Handlettering von Dirk Rehm, 192 Seiten, 14 Euro

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