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Manga „Chiisakobee“: Tradition mit Hipster-Faktor
Elegant und luftig wie ein traditionelles japanisches Haus: Minetaro Mochizukis Romanadaption „Chiisakobee“ entfaltet einen kontemplativen Reiz.
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Shigeji steht vor Trümmern: Seine Eltern sind bei einem Brand ums Leben gekommen, auch der Familienbetrieb, die Zimmerei Daitome in Tokio, ist zerstört. Der in sich gekehrte junge Mann entspricht mit seinen langen Haaren, Hipsterbart und Sonnenbrille nicht den Vorstellungen vom Chef eines Handwerksbetriebs (schon gar nicht den japanischen), aber er ist entschlossen, das Unternehmen seiner Eltern wieder aufzubauen. Und zwar, und das wiederum wirkt sehr japanisch, aus eigener Kraft und ohne durch Annahme von Almosen das Gesicht zu verlieren.
Im großen Elternhaus nimmt er Rizu, eine ebenfalls verwaiste Freundin aus Kindertagen, als Haushaltshilfe auf, und mit ihr fünf elternlose Kinder in ihrer Obhut. Regelmäßige Besucherin wird die hübsche Bankierstochter Yuko, die sich um die Erziehung der fünf widerspenstigen Gören kümmern soll. So beginnt der erste von vier Bänden des Mangas „Chiisakobee. Die kleine Nachbarschaft“ von Minetaro Mochizuki.
Aus der Edo-Zeit in die Gegenwart verlegt
Mochizuki, von dem auch die Postapokalypse-Serie „Dragon Head“ stammt, hat mit „Chiisakobee“ einen historischen Roman des japanischen Schriftstellers Shuguro Yamamoto aus dem Jahr 1957 adaptiert, dabei aber die Handlung aus der Edo-Zeit in die Gegenwart verlegt.

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Insgesamt passiert auf den mehr als 200 Seiten gar nicht so viel, so hat es den Anschein. Es geht vielmehr um die Beziehungen zwischen den zusammengewürfelten Schicksalsgenossen und darum, wie sie ihren Alltag bestreiten. Dabei liegt das Augenmerk auf den Details; kleine Ausschnitte füllen ganze Panels: Blicke, Hände und immer wieder Füße, unbekleidet, in Sandalen, Turnschuhe, Slippern, Pumps oder Wanderschuhen genauso wie Teekannen, Einkaufslisten, Aschenbecher, Sakeschälchen oder eine frisch gefüllte Bentobox.
Mochizuki verwendet ruhige, klare Linien, dazu hellgraue Rasterfolie, viel Weißraum und wenig dunkle Flächen. Seine Zeichnungen wirken elegant und luftig wie das traditionelle japanische Haus mit seinen papiernen Schiebetüren, um das herum sich Shigejis kleine Nachbarschaft entwickelt. Nicht zuletzt dadurch entfaltet die Geschichte in ihrem zurückgenommenen Tempo kontemplativen Reiz. Und am Ende des ersten Bandes möchte man durchaus wissen, was es mit dem Begriff „Chiisakobee“ auf sich hat.
Minetaro Mochizuki: Chiisakobee, Band 1, Carlsen Manga, 216 Seiten, 14,90 Euro.

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Barbara Buchholz
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