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Europäischer Strich trifft japanische Zeichentradition: Eine Seite aus „Nami und das Meer“.

© Carlsen

Neues von der einstigen „Charlie Hebdo“-Zeichnerin: Zeichnen und Wundern

Catherine Meurisse erzählt in „Nami und das Meer“ von einem bewusstseinserweiternden Kulturaustausch. In Erlangen wird sie mit einer Retrospektive geehrt.

Die reduzierte Ästhetik japanischer Farbholzschnitte und der Kalligrafie trifft auf den dynamischen Kritzelstrich der frankobelgischen Funny-Comics und die üppige Bildsprache der traditionellen europäischen Malerei: In „Nami und das Meer“ ( Kolorierung Isabelle Merlet, Übersetzung Ulrich Pröfrock, Carlsen, 114 Seiten, 22 Euro.), dem neuen Buch der einstigen „Charlie Hebdo“-Zeichnerin Catherine Meurisse, ist der Kulturaustausch nicht nur ein die Handlung strukturierendes Leitmotiv. Die 42-Jährige kombiniert in ihrer Bilderzählung auch die künstlerischen Techniken der beiden Welten, die sich bei ihr begegnen.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.
Das Titelbild des besprochenen Bandes.

© Carlsen

Hauptperson ist eine als Strichfigur gezeichnete und offensichtlich der Autorin nachempfundene europäische Künstlerin, die für ein Residenzprogramm nach Japan reist. Dort begegnet sie heimischen Künstlern, sprechenden Fabeltieren und am Ende eines bewusstseinserweiternden Ausflugs auch ihrer eigenen Geschichte.

In oft humorvollen Dialogen tauscht sich die Besucherin mit ihren Gesprächspartnern über das Verhältnis des Menschen zur Natur und zur Kunst aus. Meurisse, die 2020 als erste Comiczeichnerin in die französische Akademie der bildenden Künste aufgenommen wurde, hat sich in letzter Zeit wiederholt mit diesen Themen befasst.

Nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“, den sie 2015 durch einen Zufall überlebte, wurden die Schönheit, die Natur und die Kultur für sie Gegenpole zum Chaos und zur Gewalt, die viele ihrer Freunde aus dem Leben gerissen hatten. Davon hat sie sie 2016 in „Die Leichtigkeit“ und 2019 in „Weites Land“ erzählt.

In „Nami und das Meer“ wird das Thema weiter vertieft und durch ihre Auseinandersetzung mit dem japanischen Blick auf die Welt erweitert. Das nimmt im Laufe der Geschichte zunehmend märchenhafte Züge an. Durch die Begegnung mit dem rätselhaften Fräulein Nami wird aus einem Landausflug eine spirituelle Reise zum Wesen der Kunst und zu sich selbst.

[2019 hat Tagesspiegel-Autor Ralph Trommer Catherine Meurisse zu ihrer Arbeit und dem Weg zurück ins Leben nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ interviewt, hier finden Sie seinen Text.]

Dafür hat Meurisse frei und mit erfrischender Selbstironie den Roman „Das Graskissen-Buch“ des Schriftstellers Natsume Soseki adaptiert, der von der Sinnsuche eines jungen Malers erzählt und als Schlüsselwerk der japanischen Moderne gilt.

Im Kunstmuseum Erlangen würde kürzlich eine vom Cartoonmuseum Basel übernommene Retrospektive mit Meurisses Werk eröffnet. Die Schau ist bis zum Internationalen Comic-Salon (16.–19. Juni) zu sehen.

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