
© Rotopol/Anne Simon
Zeichnerin Anne Simon beim Comicfestival Hamburg: „Mir fällt es schwer, Männer zu zeichnen“
Die Französin Anne Simon präsentiert am Wochenende beim Comicfestival Hamburg den neuen Band ihrer Saga über das Land Marylène. Im Tagesspiegel-Fragebogen gibt sie Einblicke in ihre Arbeit.
Stand:
Wer hat Sie künstlerisch geprägt? Welche Werke von Kolleginnen und Kollegen gefallen Ihnen besonders? Was empfehlen Sie Comic-Einsteigern? Im Tagesspiegel-Fragebogen geben Zeichnerinnen und Zeichner Einblicke in ihre Arbeit und in ihre Leidenschaft für die Kunstform. Heute: die französische Zeichnerin Anne Simon, deren aktuelles Buch „Gousse & Gigot“ jetzt bei Rotopol auf Deutsch veröffentlicht wird.
1. Was kommt bei Ihrer Arbeit zuerst: Worte oder Bilder?
Beides gleichzeitig! Ich lege sehr viel Wert auf Dialoge. Ich schreibe sie in ein Heft und skizziere daneben die Figuren und ihre Gesichtsausdrücke.
2. Hören Sie beim Zeichnen Musik, und wie beeinflusst Sie das?
Das hängt von der Phase der Arbeit ab. Beim Schreiben brauche ich völlige Stille oder höre klassische Musik. Das Reinzeichnen oder Tuschen erfordert weniger Konzentration, weshalb ich dabei oft Radio oder Podcasts höre. Musik hat für mich eine besondere Bedeutung, wenn ich gerade am Zweifeln bin und meine Motivation wiederfinden muss. In dem Fall höre ich mir Playlists an, die mir Energie geben. Ich habe einen etwas eklektischen Musikgeschmack.
3. Was essen oder trinken Sie am liebsten bei der Arbeit?
Ich esse niemals beim Arbeiten, aber ich trinke manchmal etwas. Wasser (davon viel), Kräutertee, Bier oder Wein.
4. Angenommen, Ihre Wohnung brennt: Welche Comics würden Sie auf jeden Fall aus Ihrem Regal retten?
Zunächst: Ich hoffe, das wird nie passieren. Es gibt ungemein viele Bücher, an denen ich hänge, aber ich würde sie in dem Moment vergessen und meine Katze retten. Sie ist mir wichtiger als alle Bücher der Welt!
5. Welche Zeichner/-innen und Autor/-innen waren für Ihre eigene Entwicklung die prägendsten?
Goscinny, Gotlib, Fred, Claire Bretécher, Bernadette Després und dann die ganze aufstrebende Szene der 2000er Jahre, Joann Sfar zum Beispiel oder JC Menu, aber vor allem Julie Doucet. Ihre Comics waren eine wirkliche Offenbarung für mich. Ich mag auch besonders die Arbeit von Fabio Viscogliosi.
6. Welchen Comic würden Sie jemandem empfehlen, der sonst eigentlich keine Comics liest?
„Persepolis“ von Marjane Satrapi kann ein gutes Sprungbrett in das Medium sein.
7. Glauben Sie, dass der Comic aktuell die Aufmerksamkeit hat, die er verdient?
Es gab in letzter Zeit eine positive Entwicklung, unter anderem wegen der Comicreportage, die die vielen Möglichkeiten des Mediums veranschaulicht und es ermöglicht, eine größere Leserschaft zu erreichen. Comics werden immer weniger als Sub-Literatur für Kinder gesehen, aber es gibt noch viel zu tun.

© Rotopol/Anne Simon
8. Welche zeitgenössischen Comiczeichner/-innen verdienten mehr Aufmerksamkeit, als sie im Moment haben?
Anna Haifisch und Amandine Meyer sind für mich aktuell die beiden besten Zeichnerinnen und ihre Arbeiten beeindrucken mich sehr. Ich würde auch noch Delphine Panique, Emilie Plateau und Lucas Méthé erwähnen, auch wenn ich glaube, dass ihre Werke leider noch nicht auf Deutsch übersetzt sind.
9. Wenn Sie einen hoch dotierten Preis für das Comic-Lebenswerk zu vergeben hätten, wer würde ihn bekommen?
Nicole Claveloux, Jean-Christophe Menu oder Florence Dupré-Latour.
10. Wie würden Sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an Ihren Comics ist?
Das ist ein großes Thema, da mein Vater tatsächlich blind ist. Ich versuche ihm so gut es geht meine Zeichnungen zu beschreiben, aber es ist schwierig. Zum Glück gibt es geschriebene Texte.
11. Woran arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade Fragebogen ausfüllen?
Im Moment arbeite ich an einem neuen Buch, aber ich bin noch in der Phase der Recherche und alles ist noch sehr vage, deshalb kann ich noch nichts verraten.

© Rotopol/Anne Simon
12. Wieso würden Sie einem jungen Menschen raten, Comicautor/-in zu werden – und wieso würden Sie ihm oder ihr davon abraten?
Es ist wichtig, etwas zu machen, was man liebt, also sollte man auf keinen Fall seine eigenen Interessen oder Kreativität ausbremsen. Wir sind unabhängig, ohne einengenden Büroalltag und ohne Chef im Nacken, aber es bleibt ein sehr prekärer Beruf.
13. Wie fühlt es sich für Sie an, Ihre Zeichnungen als gedruckte Bücher in der Hand zu halten?
Für mich ist bedeutet es einerseits eine große Erleichterung und andererseits eine große Nervosität, zu wissen, dass die Geschichte nach vielen Monaten der einsamen Arbeit von anderen Personen gelesen wird.
14. Welche Noten hatten Sie im Kunstunterricht?
Eher gute, aber ich möchte nicht prätentiös wirken. Deshalb: nächste Frage!
15. Was können Sie überhaupt nicht zeichnen?
Fahrräder und Autos. Mir fällt es auch etwas schwer, Männer zu zeichnen (im Sinne von stereotyper Männlichkeit). Das ist der Grund, warum ich ihnen öfter Krokodil- oder Katzenköpfe gebe.
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