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© dpa

Porträt: Cornelia Froboess: Das späte Mädchen

In der alten Bundesrepublik war sie ein Kinderstar und drehte in den 80er Jahren mit Rainer Werner Fassbinder. In diesem Jahr ist Cornelia Froboess Berlinale-Jurorin.

Plötzlich liegt da im Postkasten ihres schönen, schlossgelb verputzten Gutshofs am Fuß der Chiemgauer Berge ein Brief von Dieter Kosslick. Ein Brief aus der fernen einstigen Heimatstadt Berlin, der die zwischen dem Münchner Residenztheater und der eigenen oberbayrischen Residenz pendelnde Cornelia Froboess fragt, ob sie nicht Jury-Mitglied der 60. Berlinale sein möchte. Und als der nette Festivaldirektor dann gleich noch anruft, da „konnte ich schon nicht mehr Nein sagen“. Sagt Cornelia, die von den meisten Freunden noch immer Conny genannt wird, mit ihrem so typisch unterschwelligen und ganz ohne Koketterie auch selbstironischen Lachen.

„Ein bisschen überrascht war ich natürlich schon. Aber nach einer kleinen Gedenkpause fand ich das doch ganz gut – weil ich ja etwas Abstand habe und nicht mehr so verbandelt bin mit der Filmbranche. Außerdem freue ich mich auf unseren Juryvorsitzenden Werner Herzog!“

Sie hat nichts von Bedenken geäußert, sie sagt wirklich „Gedenkpause“. Das Wort hat etwas mit der Erinnerung zu tun, mit dem Nachdenken auch über den eigenen Weg. Der führte sie nämlich weit weg von der Conny, die 1951 als noch nicht Siebenjährige das „Pack die Badehose ein“ sang, auf das sie ältere Berliner Taxifahrer noch Jahrzehnte später ansprachen. Auch wer Cornelia F., die als renommierte, ihr Alter (66) nie verleugnende Schauspielerin unter Kollegen oder Zuschauern doch nie „die Froboess“ geworden ist, auch wer sie heute bei Wikipedia googelt, stößt viel ausführlicher auf die Schlagersängerin und den Musikfilmstar (mit Peter Kraus und Peter Alexander) als auf die Schauspielerin. Ein bisschen Theater, das wird erwähnt, aber schon gar nicht existiert die Filmschauspielerin.

Sie befördert das auch nicht, trumpft nie auf mit ihrer „anderen Seite“, die für sie zum selben Leben gehört. Und zu ihrer Befreiung – was sie so nie sagen würde: als Anti-Pathetikerin mit dem Berliner Mutterwitz (der mehr Bescheidenheit kennt als der Vaterwitz). Das niedliche Conny-Mädchen war ein Kind, das ab seinem siebten Lebensjahr „immer arbeiten musste“. Schallplatten, Filme, frühe Fernsehshows. „Ich bin zum Gehorsam erzogen worden durch Vater und Manager. In den 50er Jahren gab es nur das Ja-Sagen, da war noch keine Marktnische für Nichtopportunismus. Den Mut zum Neinsagen musste ich erst lernen.“

Schon mit 16 nimmt sie gegen den Willen des Vaters in Berlin privat Schauspielunterricht, geht mit 19 als Schallplattenmillionärin für 500 Mark Gage ans Salzburger Landestheater und wechselt von dort mit ihrem späteren Mann, dem Intendanten Hellmut Matiasek, 1964 nach Braunschweig. In die Provinz, wo sie sich Kameras und die Illustriertenpresse im Theater verbittet. Einer ihrer frühen Triumphe wird dann 1972 (schon) an den Münchner Kammerspielen das unglücklich liebende, hässliche Mädchen Sonja in Tschechows „Onkel Vanja“, das sie – neben den Stars Norbert Kappen, Peter Lühr, Erika Pluhar und der großen Therese Giehse – ganz inwendig gekrümmt als still schreiendes Elend spielt. Auch danach sucht sie als einzigen Glanz nur die Wahrheit in ihren Figuren, die soll leuchten, ob komödiantisch oder tragisch, am besten im Zwielicht aus beidem.

Cornelia Froboess’ Karriere zeigt als Ablösung von der glatten Ufa-deutschen Unterhaltungssentimentalität in manchem eine Parallele zum Weg von Romy Schneider. Wobei Romy die Sissi in sich mit abruptem Schmerz und Wut bekämpft hat, während Cornelia den Bruch mit „der Conny“ als eher beiläufig selbstständigen Übergang, als sanft beschleunigte Entwicklung empfand.

In ihrer gewinnenden Bescheidenheit erwähnt sie beispielsweise nie, dass sie just im Jahr 1962, als sie ihren Millionenhit „Zwei kleine Italiener“ (in vier Sprachen) sang, auch schon eine kleine Rolle in Jean Renoirs spätem, in deutschen Kinos nie gelaufenem Meisterwerk „Le Caporal èpinglé“ gespielt hat.

Man kann mit Cornelia Froboess übrigens stundenlang übers Kino oder das Theater sprechen und hört von ihr doch nie den metierüblichen Branchenklatsch oder die so beliebten, wunderbar indiskreten Schauspieler-Anekdoten. Beiläufig sagt sie etwa, dass „sie doch gerne noch mehr mit Fassbinder gedreht hätte“. In dessen vorletztem Film, „Die Sehnsucht der Veronika Voss“, war sie als Henriette, die Freundin des Sportreporters Krohn (Hilmar Thate), ein Gesicht, das sich tiefer einprägte.

Trotzdem fehlt es ihr außerhalb des Theaters an ähnlich guten Rollen. Bis heute. „Was mir hin und wieder fürs Kino angeboten wird, ist einfach lächerlich. Es sind meistens so blöde Großmütter.“ Hier muss sie wieder lachen und sagt: „Dabei hab’ ich doch gar nichts gegen Komik!“ Im Fernsehen kommt im Herbst immerhin „mal was richtig Schönes“. Zusammen mit Rosemarie Fendel spielt sie unter Margarethe von Trottas Regie eine der beiden Titelrollen in „Die Schwestern“. Es geht um „zwei groteske Tanten, ich bin die behinderte und tyrannisiere die Ältere“, sagt sie mit hörbarem Vergnügen. Und was hat ihr zuletzt besonders gefallen, bei den Kollegen/innen draußen im großen Kino?

„Natürlich ist Michael Hanekes ,Weißes Band’ ganz außergewöhnlich. Diese Stille, die völlige Abwesenheit von all den dröhnenden Special Effects, nicht mal eine Musik im Off. Das ist schon toll. Ich habe den Film erst kürzlich gesehen, nachmittags in Wien in einem kleinen Kino mit nur sechs anderen Leuten.“ Das konnte ihr bei Tarantinos „Inglourious Basterds“ nicht passieren, aber klar, das ist der andere aktuelle Favorit. „Am meisten freue ich mich da über den Erfolg von ,unserem’ Christoph Waltz. Fast könnte ich sagen: mein Christoph! Ich habe mal im Fernsehen seine Mutter gespielt, und wir waren vor zwanzig Jahren schon zusammen in Schnitzers ,Einsamem Weg’ bei den Salzburger Festspielen.“

Es war das eine Inszenierung von Thomas Langhoff, der in ihrer Theaterheimatstadt München zu einem ihrer Lieblingsregisseure geworden ist, neben Dieter Dorn und Luc Bondy. Ihre beiden großen Rollen zurzeit sind am Münchner Residenztheater auch in Dorn- und Langhoff-Inszenierungen: Sie spielt und spricht Thomas Bernhards redselige Gusseisenwerksbesitzerswitwe in der schwarzen Komödie „Am Ziel“ mit ihrem preußisch eisenweichen Charme – und in Dorns Uraufführung von Botho Strauß’ jüngstem Stück „Leichtes Spiel“, das in einem Szenenreigen „neun Personen einer Frau“ vorstellt, ist sie das finale Porträt. Das neunte und letzte Gesicht dieser Frau: das „Späte Mädchen“.

Cornelia Froboess, die sich in Berlin schon auf den roten Teppich freut („Den hatte ich ja lange nicht mehr. Da gehe ich schnell stracks drüber weg!“), amüsiert sich gerade bei der Erwähnung dieser Strauß-Figur: „Das passt doch zu mir. Ein spätes Mädchen.“

Und dazu wieder ihr junges Lachen.

Cornelia Froboess ist eine von sieben. Zur Jury unter Leitung des deutschen Regisseurs Werner Herzog gehören außerdem die Schauspielerinnen Yu Nan (China) und Renée Zellweger (USA, unten), die italienische Regisseurin Francesca Comencini, der somalische Autor Nuruddin Farah und der spanische Produzent José Maria Morales.

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