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Szene aus Mozarts „Il re pastore“ in der Kammeroper Schloss Rheinsberg mit Marianna Herzig als Elisa.

© Uwe Hauth

Cosplay-Inszenierung in Rheinsberg: So macht Oper auch in der ersten Reihe Spaß

Mit gutem Dreh kann selbst ein Stück, das in der Antike spielt, ganz heutig wirken. Bei der Kammeroper Schloss Rheinsberg ist das jetzt wieder auf beglückende Weise zu erleben.

Eine Kolumne von Frederik Hanssen

Stand:

In der Oper sitze ich lieber ein bisschen weiter weg von der Bühne. Der Illusion wegen. Denn die wenigsten Hauptrollen können im Musiktheater so besetzt werden, wie es im Libretto steht. Ein Halbstarker als Siegfried im „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner? Eine Cio-Cio San in Puccinis „Madama Butterfly“, die tatsächlich erst 15 Jahre alt ist, wie sie behauptet? Undenkbar.  

Um solche Partien singen zu können, müssen Tenöre und Soprane bereits in ihren besten Jahren sein. Mit der Gesangsausbildung kann man erst beginnen, wenn der Körper ausgewachsen ist, das Studium dauert lange. Dann heißt es Bühnenerfahrung sammeln und stimmlich reifen für die großen dramatischen Rollen.  

Illusion ist alles

Sicher, großartige Maskenbildnerinnen und Kostümdesigner können einiges kaschieren – und doch halte ich abends im Saal lieber Abstand. Also war ich zunächst wenig erfreut, als ich zu Ostern für eine Premiere der Kammeroper Schloss Rheinsberg eine Pressekarte in der ersten Reihe überreicht bekam.

Was in Mozarts Frühwerk „Der königliche Hirte“ dann aber auf der Szene passierte, ließ mich die ungewollte Nähe zum Geschehen in vollen Zügen genießen. Denn junge Menschen spielten hier junge Menschen. Auf absolut überzeugende, authentische, hinreißende Art und Weise.

Dabei ist das 1775 entstandene Stück eigentlich in der römischen Antike angesiedelt. Doch Regisseur André Brücker und seiner Ausstatterin Imme Kachel gelingt es mit einem klugen Kunstgriff, den historischen Abgrund zu überspringen und die Oper ins Heute zu katapultieren: Indem sie die Story als Cosplay-Drama erzählen.

Also als Rollenspiel mit Figuren aus dem Universum japanischer Mangas und Anime-Filme. Das funktioniert perfekt, weil die Nachwuchssolistinnen und -solisten ganz sie selbst sein können. Verliebte Teenager eben, die auf einer Baustelle Party machen, sich im Rausch der überschießenden Hormone erst verschämt im Dixi-Klo verstecken, um im nächsten Moment dann todesmutig über die Gerüste der Beleuchtungsbrücken zu turnen.

Sechs Aufführungen des „Königlichen Hirten“ gibt es jetzt noch einmal beim Festival in Rheinsberg, vom 18. bis 27. Juli. Wer Oper bisher für altmodisch hielt, kann sich hier vom Gegenteil überzeugen lassen.

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